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Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Titel: Hamburg Horror Noir - Halloween Special Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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es war zu spät. In meiner Wut war die Handlung nur eine kurze Bewegung. Ich zog die Maske über seinen Kopf.
    Er packte mein Handgelenk, so fest, dass mir noch jetzt der Knöchel schmerzt. Er riss mir die Maske aus der Hand und stieß mich zurück. Jetzt konnte ich zum ersten Mal in sein aufgerissenes, fleischfarbenes Gesicht blicken und schrie auf.
    Seine Augen waren ohne Lider und ragten aus ihren Höhlen hervor, dass ich fürchtete, sie würden gleich herausfallen. Seine Nase war überzogen mit Knorpeln und eitrigen Pickeln. Aus einigen sickerte eine grünliche Flüssigkeit. Die Haut war so bleich und rosa wie der Hals, vernarbt und sie schimmerte klebrig im Mondlicht. Am schlimmsten war sein Mund. Zuerst dachte ich, er grinste. Aber es waren nur zwei tiefe Schnitte, die seine Wangen hinauf führten. Seine Lippen waren aufgeplatzte, schmale Hautfetzen und sein Kopf war umgeben von wirren Haaren, mal lange Büschel, mal kurze Borsten, dann wieder freie Hautstellen.
    Es war eine fürchterliche Fratze, Jakob.“
    Von allen Reaktionen, die ich meiner Schwester an jenem Abend hätte zeigen können, wählte ich eine, die ich bis heute bereue. Ich lachte. Kurz nur, aber es machte deutlich genug, dass ich Larissa nicht wirklich ernst nahm.
    „Verdammt, Jakob, ich hatte solchen Schiss! Ich bin sofort weggerannt. Erst, als ich wieder bei der Haustür war, habe ich mich umgedreht. Da sah ich, dass der Typ mittlerweile die Straßenseite gewechselt hatte und zum Eingang am Zaun schritt. Er folgte mir! Nach allem, was ich weiß, könnte er jetzt auf der Party sein. Darum habe ich eben so reagiert, als ich dich auf dem Sofa sah.“
    „Okay, jetzt beruhige dich. Nehmen wir mal an, da war jemand... Nein, widerspreche mir nicht, Larissa. Heute ist Halloween. Woher soll ich wissen, dass du mich nicht verarscht? Du weißt, dass wir das häufiger tun.“
    „Ich verarsche dich NICHT!“, schrie sie.
    „Gut, du verarscht mich nicht. Dann muss doch jetzt ein zweiter Michael Myers auf der Party sein, oder? Ich mache dir einen Vorschlag. Ich suche das Haus ab. Wenn er nicht da ist, mache ich weiter, wo ich aufgehört habe. Wir machen beide weiter, wo wir aufgehört haben, okay? Entspanne dich. Was soll schon passieren? “
    Larissa nickte, ihr Blick glasig, die Lippen aufeinander gepresst. Wie gesagt, ich hätte so viel mehr bemerkt, wenn ich nicht von den beiden Frauen abgelenkt gewesen wäre. Dass Larissa kurz davor war zu weinen, zum Beispiel. Dass sie sich aus meiner Umarmung befreit hatte, als sei ich ein lästiger Verehrer. Das hatte nichts mehr mit ihrer unheimlichen Begegnung zu tun, sondern mit dem Spott, den ich ihr als Bruder entgegen brachte. Ich gebe zu, damals hat mich das Ganze amüsiert. Wir beide als die Jäger einer unheimlichen Fratze an Halloween. Auf einer Party, wo doch jeder unheimlich sein wollte. Du musst zugeben, der Gedanke ist amüsant.
    Natürlich fanden wir den zweiten Michael Myers nicht. Ich bat Madlen sogar, das Schlafzimmer ihrer Eltern aufzuschließen, um sicher zu gehen, dass er sich nicht dort versteckte. Larissa zeigte mir auch die Stelle draußen auf der anderen Straßenseite und wir schalteten für kurze Zeit das Flutlicht im Garten ein, um alles überblicken zu können. Als wir in den Keller gingen, schlossen sich uns kurzerhand andere Feiernde an, die die Gelegenheit nutzten, um sich dort unten gegenseitig zu erschrecken. Wir sparten auch den Dachboden nicht aus. Nicht wie im Film Black Christmas , in dem der Killer bis zuletzt oben seine Leichen unbehelligt verborgen hatte.
    Die Fratze war nirgends zu finden, jedenfalls nicht im Umkreis der Party. Einem mulmigen Gefühl schenkte ich keine weitere Beachtung. Vielleicht dachte ich, das kam vom Alkohol. Heute weiß ich, es war die Sorge um Larissa. Aber ich fragte sie nur kurz, ob nun alles okay war, ob sie jetzt sicher war, dass die Fratze nicht hier herum lungerte. Und als sie nickte, reichte mir das.
    „Ich gehe was trinken“, sagte sie, „Amüsiere dich, Jakob.“
    Meine nächste Entscheidung kann ich ebenso wenig rückgängig machen, wie alles zuvor auch nicht, aber sie bereue ich am meisten. Anstatt bei meiner Schwester zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sie trotz allem noch einen angenehmen Abend hatte, suchte ich nach Sarah und Madlen und verschwand mit den beiden im Schlafzimmer. Diesmal verschlossen wir es von innen.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir schon bei der Sache waren. Ich steckte mal in Madlen und mal in Sarah. Ich

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