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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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sich unterwegs wie Forrest Gump fühle, und er antwortete, über so was denke er nicht nach. Autofahren sei für ihn wie Zen. Sein ohne Denken.
    Das gefiel mir. „Sein ohne Denken“ ist ein Zustand, der auf viele Verkehrsteilnehmer zutrifft.
    Nach dem Essen sollst du ruhn, oder tausend Schritte tun. Oder zehntausend, wenn ein Burger schwer im Magen liegt. Zehntausend Schritte in Rawlins hatten ebenfalls Forrest-Gump-Qualitäten, denn damit durchquerte ich das Städtchen dreimal. Jedes Mal kam ich an einem Plakat vorbei, welches das „Carbon County Gathering of Cowboy Poets“ anpries. Das klang verlockend: Cowboydichter, da wäre ich gerne mit dabei gewesen. Leider war das Plakat so alt wie die Autos auf dem Schrottplatz, und damit hieß es für mich am nächsten Morgen, raus aus den Federn und weiterfahren. Über Laramie, wo man in den Verhandlungen während der Indianerkriege die Stämme gleich mehrfach über den Tisch gezogen hatte, gings Richtung Cheyenne. Wieder einmal machte die Landschaft alles wett: Den Burgerklotz im Magen, die protestierenden Lendenwirbel nach bald 3000 Kilometer Fahrt, der sinkende Zuckerspiegel, weil mir die Muffins ausgegangen waren. Draußen aber zog ein Farbenrausch gewordenes Steinspektakel vorbei, welches sich Rock River County nannte, und dafür sorgte, dass mir immer wieder ein Satz einfiel, der so gar nichts für Nomaden ist: „This is the place!“
    „This is the place“ habe ich schon häufig auf meinen Reisen gemurmelt, gesagt oder gesungen, egal auf welchem Kontinent. Und dabei aber immer gedacht, ganz sicher kommt noch etwas Schöneres, Gewaltigeres, Prächtigeres. Vielleicht reisen wir ja nur, weil das Gras des Nachbarn grüner ist? Bei der Suche nach der Antwort bin ich jedenfalls ein heißer Anwärter auf den „Bruce-Trona-Orden“: Keine Ahnung, weshalb ich das tue. Irgendwie macht's Spaß.
    Weil ich wusste, dass die Gegend nach Cheyenne flach und flacher werden würde – manche sagen auch öd und öder – genoss ich die Berge der Elk Mountains und die Fahrt über den Snowy Range Pass. Danach hieß es, Abschied von den Rocky Mountains zu nehmen. Die Gummiente rollte die weiten Flanken der Bergkette hinab, und schon konnte ich sie sehen: Die rolling countries , endloses Weideland, darauf Abertausende schwarze Punkte. Hier und da schoss Feuer in die Höhe. Rauch lag in der Luft. Das waren nicht die Orkheere von Mordor, sondern Rinderherden, die den amerikanischen Verdauungstrakt mit Hamburger füllen würden, beleuchtet von Flammen der Erdgasraffinerien. Ab hier würde Bruder Steak den Muffin als Hauptmahlzeit verdrängen, deshalb hielt ich in Cheyenne an, um noch einmal etwas anderes zwischen die Zähne zu kriegen. Im „Poor Richard“ wurde ich fündig. Ich gönnte mir Knoblauch- Muscheln – schließlich war ich alleine unterwegs –, dazu gegrillte Artischocken, Penne Primavere , die fast so gut waren wie in Bella Italia, und einen New Yorker Käsekuchen, der alleine drei Mahlzeiten aufwog. Weil ich seit meiner Abfahrt in San Francisco weit und breit keinen Polizisten gesehen hatte, bestellte ich einen Chardonnay vom Weingut des Regisseurs des Paten, Francis Ford Coppola. Als ich das Glas hob, um mit mir selbst anzustoßen, vernahm ich Vito Corleones Stimme: „Ich mache dir ein Angebot, das du nicht abschlagen kannst.“
    „Ich höre“, sagte ich, denn Angebote, die man nicht abschlagen kann, interessieren mich.
    „Trink noch einen, und bleibe hier.“
    Ich hatte Einwände: „Das waren kaum 200 Kilometer seit Rawlins. Der Motor ist noch nicht mal warm.“
    „Hast du Tomaten auf den Ohren?“, wetterte Vito. „Es ist ein Angebot, das du nicht abschlagen kannst.“
    Leg dich nicht mit dem Paten an. Also fragte ich nach, ob es im „Poor Richard“ auch Zimmer gäbe, und die Antwort war nein, aber die Straße runter sei ein Motel. Dann wollte ich wissen, ob im Keller wenigstens noch von diesem Wein zu finden sei, und nun war die Antwort ja, man serviere ihn gerne.
    Damit war alles gesagt. Der Rest des Tages gehörte Mister Coppolas Erzeugnissen.
    Am nächsten Vormittag, nicht allzu früh, überquerte ich die Grenze von Wyoming und Nebraska. Das Land wurde grüner, der Verkehr dünner, der Highway schlechter. Ansonsten gabs nichts Nennenswertes festzuhalten. Ich beschäftigte mich damit, dass ich „in Ulm und um Ulm und um Ulm herum“ vor mich hinsagte, und es am Ende des Tages auf die Rekordzeit von 2,83 Sekunden bei fehlerfreier Aussprache brachte. Es

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