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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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kennen lernen. Außerdem wollte ich selbst an einem Rad drehen. Deshalb hatte ich mich mit Harry Branch verabredet, der eine Firma sein Eigen nannte, welche die Idee „Pimp my car“ zur Perfektion gebracht hatte. Harry stellte Concept Cars her, also Autos, die es eigentlich gar nicht gibt. Ich war gespannt. Und fragte mich, was er dazu sagen würde, wenn ich mit der Gummiente auf seinen Hof fuhr.
    Unterwegs kam ich durch Angola (Indiana), Montpelier (Ohio), und Toledo (ebenfalls Ohio). Auch ein Genoa – also Genua –, ein Berlin und ein Florenz pflasterten meinen Weg. Als dann das Städtchen Ypsilanti auftauchte, schloss ich die Liste lustiger Ortsnamen.
    „Was zuviel ist, ist zuviel“, dachte ich, und konzentrierte mich lieber auf den dichten Verkehr. So sehr ich das Autofahren liebe: Mit Stop and Go habe ich wenig am Hut. Die Strecke von Chicago nach Detroit ließ aber kaum etwas anderes zu. Mitunter ähnelte der Highway einem Parkplatz, und erinnerte mich sehr an die heimische A 6. Zwar war die Gummiente mit Automatikschaltung ausgerüstet, was seine Vorzüge hat, wenn man nur noch Zentimeter für Zentimeter weiter hoppelt. Trotzdem war ich froh, als ich spät Abends das Hoftor von Harrys Firma erreichte. Natürlich war um diese Zeit keiner mehr da, und so machte ich es mir mal wieder im Auto gemütlich. Ich dachte daran, wie nett es jetzt im Alligator wäre, dem Riesenwohnmobil von Bob und Ann aus Minnesota. Hm, Küche! Hm, Eisschrank! Hm, Dusche! Im Kopf überschlug ich die traurige Situation meines Kreditkartenkontos, und kam auch nach dem hundersten Nachrechnen zu keinem anderen Schluss, als dass Übernachtungen in Kingsizebetten nur noch in Ausnahmefällen drin waren.
    Heute war kein Ausnahmefall.
    Ich kuschelte mich in den Fahrersitz, fands unbequem, drehte mich um, versuchte eine andere Position, und so schritt die Nacht voran. Irgendwann war Morgen.
    Harry erschien als Erster zur Arbeit.
    „Was soll denn das sein?“, sagte er zur Begrüßung.
    „Etwa ein Auto?“
    Es war ein paar Jahre her, seit sich unsere Wege gekreuzt hatten. Damals drehte ich einen Film in der Gegend, natürlich über Autos, und Harry erschien als neugieriger Zaungast am Set. Eines Abends lupften wir ein paar Dosenbiere, und er erzählte mir von seiner Firma.
    „Wir basteln am Auto der Zukunft. Die meisten unserer Ideen werden nie umgesetzt. Aber manche schon. Schaus dir mal an.“
    Als ich den Film im Kasten hatte, stattete ich seinem Laden einen Besuch ab. Und staunte nicht schlecht. Offenbar war das Zweiliterauto machbar. Wenn man nur wollte.
    „Falls du mal wieder in der Gegend kommst …“, sagte Harry zum Abschied.
    Regel Nummer Eins in Amerika: Nimm diesen Spruch nie wörtlich. Zum Glück pfeife ich auf Regeln, und werde dann meistens trotzdem freundlich empfangen.
    „Ich würd’ gern mal was Rechtes fahren“, hatte ich am Telefon gesagt.
    Die Antwort klang verlockend. „Da hätte ich was. Sieht aus wie ein Rennwagen. Könnte dir gefallen.“
    Als ich jetzt vor dem Auto stand, musste ich zugegeben, dass er nicht geschwindelt hatte. Das Ding sah tatsächlich einem Rennwagen ähnlich, wenn auch mehr Formel Ford als Formel 1. Unter der Haube steckte auch kein Tiger, und das Fahrwerk war den geplagten Lendenwirbeln von Bürohengsten angepasst. Aber das Ganze lag flott verpackt gut auf der Straße, und ich hoffte, dass mir bei der Dorfrunde die Mädels nachwinken würden. Daraus wurde leider nichts.
    „Ich kann dich nicht vom Gelände lassen“, sagte Harry. Ich sah wohl enttäuscht aus. „Aber wir haben eine neue Teststrecke. Nichts Aufregendes.“
    Das waren seine Worte: Nichts Aufregendes. Als ich kurze Zeit später zu schnell durch eine Kurve bretterte, welche fatal an die Dunlop-Kehre in der Grünen Hölle Nürburgring erinnerte, drehte sich das Auto um die eigene Achse und rutschte aufs Bankett. Bleich, schwitzend, und mit einem Puls von 180 kehrte ich zu Harry zurück.
    „Hats Spaß gemacht?“, wollte er wissen.
    Es hatte. Doch jetzt stieg ich gerne wieder in meine Gummiente.
    Nach Feierabend gingen wir auf ein Bier um die Ecke und fachsimpelten. Nirgendwo in der Welt sind so viele Autos auf der Straße wie in Amerika. Nirgendwo auf der Welt sind sie größer, PS-stärker, umweltschädigender. Auf der anderen Seite gibt es nirgendwo auf der Welt so strenge Gesetze, und ich fragte Harry, was von diesem Widerspruch zu halten sei.
    „Du redest von Kalifornien“, sagte er. „Kalifornien ist nicht

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