Hamburger, Hollywood & Highways
Amerika.“
„Iowa ist auch nicht Amerika. Georgia oder South Carolina ebenfalls nicht“, sagte ich.
„Von Maryland ganz zu schweigen“, lachte er. Dann wurde er ernst. „Ich weiß, die Leute sagen immer, so läuft das in Amerika. Dabei ticken in jedem Staat die Uhren anders. Hier zum Beispiel …“
Er machte eine Kopfbewegung, und ich wusste, dass er Michigan meinte.
„… war früher das innovativste Zentrum für Fahrzeugentwicklungen. Gehst du heute bei Chrysler vorbei, siehts zappenduster aus. Aus dem Hauptquartier haben sie ein Einkaufszentrum gemacht. Das ging zwei Jahre später pleite. Und General Motors hat mehr Schulden angehäuft als die Pleitebanken.“
2007 erwirtschaftete GM einen Verlust von 40 Milliarden Dollar. Falls man dabei noch von Erwirtschaften sprechen kann. Das hatte Auswirkungen auf Detroit und Umgebung. Kam man früher in die Stadt, wars gut zu wissen, welche Marke man unterm Hintern hatte. Es gab die Viertel der Ford-Arbeiter, die Viertel von GM, und die von Chrysler. Mit dem falschen Auto im falschen Viertel konnte es geschehen, dass Steine flogen.
„Von diesen guten alten Zeiten schwärmt heute ein Heer von Arbeitslosen“, sagte Harry. „Wir haben viel zu lange aufs falsche Pferd gesetzt. So groß wie Amerika mussten unsere Autos sein. Als die Benzinpreise explodierten, die Leute sich keinen 60-Tausend- Dollar-Wagen mehr leisten konnten, und Toyota allen eine lange Nase drehte, schauten wir dumm aus der Wäsche. Dabei haben wir uns das alles selbst eingebrockt. Denk nur an den EV1.“
Es war 2006 gewesen, auf Robert Redfords Sundance Film Festival, als ein Dokumentarfilm Furore machte. Unter dem Titel „Who killed the Electric Car?“ erzählt der Regisseur Chris Paine die Geschichte der Zerstörung Tausender Elektroautos durch General Motors. Damals litt der amerikanische Autoriese unter einem Absatzeinbruch nie gekannten Ausmaßes. Doch man hatte einen Trumpf im Ärmel: Das populäre Elektromobil EV1 zeigte beste Fahreigenschaften und bewies sich als echter Gewinner. Trotzdem wurde auf Anweisung von GM Boss Rick Wagoner die gesamte Flotte verschrottet. Oder gekillt , wie es Chris Paine in seinem vielfach ausgezeichneten Film ausdrückte.
„Ich hab’ nie kapiert“, sagte ich, „warum der Wagoner das tat. War er stoned ?“
„Der war klarer denn je“, antwortete Harry. „Es hatte damit zu tun, was an der Westküste läuft.“
Arnies Staat ist der wichtigste Automarkt der Welt. Und zugleich Vorreiter in Sachen Umweltpolitik. Mit dem Clean Air Act versucht Kalifornien, der Luftverschmutzung Herr zu werden. Dieses Gesetz ist ein rotes Tuch für alle Autobauer. Denn es schreibt vor, dass jeder, der in Kalifornien Autos verkaufen will, ein Zero-Emission-Vehicle anbieten muss. Also einen Wagen ohne Abgasausstoß. So begannen die Fahrzeughersteller in den 90ern zähneknirschend, Alternativen zum Otto-Verbrennungsmotor zu entwickeln. Schnell erwies sich der Elektroantrieb als vielversprechendste Variante. 1992 brachte Daimler eine elektroangetriebene A-Klasse auf die Straße, die alle Weltrekorde brach. Auch General Motors musste sich nicht verstecken. Das Elektrofahrzeug EV1 ließ sich über Nacht an die Steckdose hängen, und am Morgen konnte man munter damit weiterfahren.
„Und jetzt kommts“, sagte Harry. „Damit wurde der EV1 zum Opfer seiner eigenen Vorzüge. Elektrofahrzeuge benötigen kaum Reparaturen, und an denen verdienen Fahrzeughersteller eine Stange Geld. Außerdem, logisch, brauchen sie kein Benzin. Was für eine Bedrohung für die Ölindustrie! Also machte man tabula rasa und vernichtete die Geister, die man gerufen hatte.“
„Das ist Wahnsinn“, sagte ich.
„Das ist menschlich“, erwiderte Harry.
Auf einen Schlag wurden überall auf der Welt Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen eingestellt. GM ließ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alle Fahrzeuge einziehen, und schmiss sie in die Schrottpresse.
„Bevor du jetzt mit dem nackten Finger auf angezogene Leute zeigst“, sagte Harry. „Bei dir zuhause hat man auch nicht rumgezickt.“
Das stimmt. Zeitgleich gab Daimler die Entwicklung der A-Klasse auf Elektrobasis auf.
„Bald solls einen elektrischen Smart geben“, warf ich ein. Irgendwie hatte ich das Gefühl, die Ehre der Heimat verteidigen zu müssen, auch wenn es da nichts zu verteidigen gab.
„Ein Smart“, grinste Harry. „Wie schön. Und was ist mit einer elektrischen E-Klasse? Gibt's einen Elektro- Audi? Oder einen
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