Hanan 1 - Brüder der Erde
hilflos an. Er hätte sich gern auf seine eigene Pritsche geworfen und geschlafen. Er war unfähig, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Er wußte nur, daß Kta sterben wollte, und er konnte ihm nicht helfen.
»Kurt.« Die Stimme war so leise, daß Kurt ihn kaum verstand.
»Sag mir, wie ich dir helfen kann.«
Kta blinzelte, und sein Verstand schien im Augenblick wieder klar zu sein. »Kurt, mein Freund, sie haben...«
»Was haben sie getan, Kta? Was haben sie getan?«
»Sie wollen meine Hilfe, und... wenn ich mich weigere... verliere ich mein Leben... und meine Seele. Sie wird mich in alle Ewigkeit verfluchen...« Er schluckte und schloß die Augen, wurde aber wieder ruhiger. »Ich habe Angst, mein Freund, eine tödliche Angst. Für alle Ewigkeit... Aber wie kann ich tun, was sie von mir verlangt?«
»Was kann deine Hilfe schon gegen Nephane ausrichten?« fragte Kurt. »Djan hat genügend Waffen, Ylith hat genügend Schiffe. Sollen sie sich doch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Was geht dich ihr Krieg an? Sie hat dir dein Leben und die Freiheit angeboten, und das ist mehr, als du von Djan bekommen hast.«
»Ich konnte Djan-Methis Bedingungen auch nicht akzeptieren.«
»Ist es die Sache wirklich wert, Kta? Sieh dich doch an und sage mir, ob es das wert ist. Du kannst dir wirklich keinen Vorwurf machen und andere auch nicht. Ganz Nephane weiß, wie du dort behandelt worden bist. Wer könnte es dir verübeln, wenn du dich für Indresul entscheidest?«
»Ich will deine Argumente nicht hören!« schrie Kta. »Sie sind vernünftig.« Kurt packte seinen Arm und hinderte ihn daran, sich wieder zur Wand zu drehen. »Es sind vernünftige Argumente, Kta, und das weißt du sehr gut.«
»Ich verstehe die Vernunft nicht mehr«, sagte Kta.
»Der Tempel und die Methi wollen mich dafür verdammen, was ich für richtig halte. Kurt, ich habe keine Angst vor dem Tod. Aber das... das ist keine Gerechtigkeit. Wie kann der Himmel einen Mann vor eine solche Wahl stellen?«
»Tu, was sie von dir verlangen, Kta. Es schadet niemandem, und solange du lebst, kannst du dir auch noch später darüber Gedanken machen, ob es richtig oder falsch war.«
»Ich hätte mit meinem Schiff untergehen sollen«, murmelte der Nemet. »Dort habe ich meinen größten Fehler gemacht. Der Himmel gab mir die Chance, zu sterben: in Nephane, im Lager der Tamurlin, mit der
Tavi
. Ich hätte Frieden und Ehre, wenn ich gestorben wäre. Aber immer warst du da. Du bist die Behinderung meines Schicksals. Oder sein Helfer. Du bist immer da, und das gibt den Ausschlag.«
Kurt stellte fest, daß seine Hände zitterten, als er Ktas Decke glattzog, um ihn zu beruhigen. »Bitte, Kta«, sagte er. »Du mußt jetzt schlafen...«
»Nicht deine Schuld... Man muß logisch denken... immer logisch denken... damit man weiß...«
»Sei still, Kta.«
»Wenn ich in Nephane mit meinem Vater gestorben wäre«, sagte Kta mit der Hartnäckigkeit eines Fiebernden, »hätten mich meine Freunde, meine Mannschaft gerächt. Ist es nicht so?«
»Ja«, sagte Kurt zustimmend und dachte an das feurige Temperament von Val und Tkel und ihren Kameraden. »Ja, sie hätten Shan t'Tefur getötet.«
»Und das hätte Nephane in ein Chaos gestürzt«, sagte Kta, »sie wären gestorben und wären zu Elas im Reich der Schatten gekommen. Jetzt sind sie auch gestorben – aber ich lebe...«
»Sei still. Du mußt dich ausruhen.«
»Ich bin der letzte von Elas, anscheinend dazu bestimmt, das Schicksal von Nephane zu besiegeln. Wenn ich früher gestorben wäre, würde ich unschuldig sein an dem Blut, das in meiner Stadt vergossen werden wird, und mein Blut wäre an den Händen der Methi. Aber ich lebe – und dafür verdiene ich mein Schicksal.«
»Bitte, Kta, du mußt schlafen. Du hast zuviel
telise
getrunken und nichts gegessen. Dein Geist ist verwirrt. Bitte schlafe jetzt.«
»Es ist wahr«, sagte Kta, »ich bin geboren worden, um meiner Stadt Verderben zu bringen. Und dazu wollen sie mich jetzt zwingen.«
»Warum lastest du nicht mir die Schuld an«, sagte Kurt. »Das wäre mir lieber als deine krankhaften Selbstvorwürfe. Sage mir, was ich bin, oder gib zu, daß du die Zukunft nicht voraussagen kannst.«
»Es ist logisch«, sagte Kta, »daß menschliches Schicksal dich hierhergebracht hat, um in menschliches Schicksal einzugreifen.«
»Du bist betrunken, Kta.«
»Du bist wegen Djan-Methi hergekommen. Ihretwegen bist du hier.«
Ktas dunkle Augen schlossen sich. Kurt stand auf und
Weitere Kostenlose Bücher