Hanan 1 - Brüder der Erde
überprüften die Ausrüstung. Auf dem Achterdeck war ein blaues Sonnensegel aufgespannt, das von goldbronzierten Stangen getragen wurde. In seinem Schatten saß Ylith, über Karten gebeugt, und sprach mit Lhe t'Nethim. Sie blickte nicht auf, als Kta und Kurt auf sie zugeführt wurden.
Als sie es endlich für richtig hielt, die Gegenwart der beiden Männer, die vor ihr knieten, zu beachten, schickte sie Lhe mit einer Handbewegung fort und wandte sich ihnen zu. Sie trug wieder den Kopfschmuck aus Goldketten, das Zeichen ihrer Würde, dazu
chatem
und
pelan
aus fahlgrüner Seide. Ihre Augen blickten Kta an, ruhig und ohne jede Emotion. Kta verbeugte sich tief und drückte seine Stirn auf die Decksplanken. Widerwillig folgte Kurt seinem Beispiel.
Ylith schnippte mit den Fingern. »Ihr habt die Erlaubnis, zu sitzen«, sagte sie, und beide Männer richteten sich auf. Ylith blickte nachdenklich von einem zum anderen, dann konzentrierte sie sich auf Kta.
»Nun, t'Elas«, sagte sie leise, »hast du deine Entscheidung getroffen? Bist du hier, um mich um Gnade zu bitten?«
»Nein, Methi«, sagte Kta.
»Kta!« rief Kurt erschrocken. »Du darfst nicht...«
»Falls du versuchen solltest, diesem Sohn von Elas zu raten, seinen Entschluß zu revidieren«, sagte Ylith, »wäre er gut beraten, auf dich zu hören.«
»Methi«, sagte Kta, »ich habe nachgedacht. Aber ich kann mich nicht dazu bereitfinden, deine Forderung zu erfüllen.«
Ylith blickte ihn an, und Verärgerung stand in ihren Augen. »Willst du dich hier in Pose setzen, obwohl du auf meine Gnade hoffst? Oder lehren sie euch solchen Mangel an religiösem Respekt auf der anderen Seite der Trennenden See? Stehst du bereits so weit im Lager sufakischer Häresien, daß dir die dunklen Geister, die ich nicht nennen mag, vertrauter sind als unsere Götter?«
»Nein, Methi«, sagte Kta mit zitternder Stimme. »Wir von Elas sind ein frommes Haus, und doch erfahren wir keine Gerechtigkeit von dir.«
»Behauptest du, daß ich mich irre, t'Elas?«
Kta senkte den Kopf, hoffnungslos gefangen zwischen ja und nein, zwischen dem Begehen einer Blasphemie und ihrem Eingeständnis.
»t'Elas«, sagte Ylith, »ist es wirklich so schwer, unsere Wünsche zu erfüllen?«
»Ich habe der Methi meine Antwort darauf schon gegeben.«
»Und es vorgezogen, als Verfluchter zu sterben.« Die Methi wandte ihren Kopf und deutete auf die offene See hinaus. »Ein kaltes Grab, t'Elas, in den eisigen Armen von Kalyts grünäugigen Töchtern. Das Grab eines Gesetzlosen, die See, das Grab von Leuten, deren Leichnam kein Haus beansprucht, die ein so schandbares Leben geführt haben, daß niemand sie haben will, niemand um sie trauert, niemand sie zur Ruhe bettet. Dieses Schicksal ist für die Ungläubigen bestimmt, die sich dem Vater oder dem Upei widersetzen oder ihre eigenen Frauen entehren. Aber ich, t'Elas, stehe höher als der Upei. Wenn ich dich verfluche, verfluche ich deine Seele nicht nur von deinem Herd und deiner Stadt, sondern von der ganzen Welt. Nur die untersten Hallen des Todes stehen dir noch offen: Yeknis, die dunkelste Hölle, wo die Schatten leben, die unnennbaren Erstgeborenen des Chaos. Oder lehrt man euch diese Dinge in Nephane nicht mehr?«
»Doch, Methi.«
»Das Chaos ist das gerechte Schicksal für einen Mann, der sich nicht dem Willen des Himmels unterwerfen will. Hältst du mich für gerecht?«
»Methi«, sagte Kta, »ich glaube, daß du die Auserwählte des Himmels bist, und ich verehre dich und das Haus meiner Ahnen in Indresul. Vielleicht hat dich der Himmel geschickt, um mein Volk zu vernichten, aber wenn der Himmel auch meine Seele zerstören will, wenn ich mich weigere, dir dabei zu helfen, dann sind die Gesetze des Himmels unglaublich hart. Ich verehre dich, Methi. Ich glaube, daß du wie das Schicksal selbst irgendwie gerecht sein mußt. Deshalb will ich das tun, was ich für richtig halte, und dir nicht helfen.«
Ylith blickte ihn wütend an und schnippte mit den Fingern nach den Wachen.
»Unglücklicher«, sagte sie, »du bist blind für die Notwendigkeiten und behaftet mit dem störrischen Stolz von Elas. Dieser Stolz hat mir bisher gut gedient, und es fällt mir schwer, etwas zu verdammen, das ich bisher für eine der besten Qualitäten von Elas gehalten habe. Du dauerst mich, Kta t'Elas. Geh und denke noch einmal gründlich nach, ob dein Entschluß richtig ist. Die Götter gewähren uns einen Augenblick des Überlegens, eine Chance, nachzugeben, bevor man
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