Hanan 1 - Brüder der Erde
nur das zu tun, was du vorschlägst: ein Ultimatum an Shan und eins an Nym Elas, um der Gerechtigkeit willen – und in ganz Nephane bleibt nicht ein Stein auf dem anderen.«
»Verschließe wenigstens dein Schlafzimmer vor Shan t'Tefur«, sagte er. »Deine Glaubwürdigkeit bei den Familien ist gleich Null, solange du Shan t'Tefurs Mätresse bist.«
Das traf. Sie war empfindlicher, als er angenommen hatte.
»Du hast mir deinen Rat gegeben«, sagte sie kühl, »geh jetzt nach Elas zurück.«
»Djan...«
»Verschwinde!«
»Djan, du sprichst oft von der Heiligkeit der lokalen Kultur vom Gleichgewicht der Kräfte, aber du scheinst zu glauben, daß du dir die Spielregeln selbst machen kannst. In gewisser Weise verstehe ich Shan t'Tefur. Du wirst sein Untergang werden, bevor du mit ihm fertig bist. Du spielst mit seinen Ambitionen und seinem Stolz, und dann weigerst du dich, die Regeln und Bräuche einzuhalten, die er kennt. Weißt du eigentlich, was du ihm antust? Weißt du, was es für einen Nemet-Mann bedeutet, wenn du ihn zum Liebhaber nimmst und ihn dann für deine politischen Spiele gebrauchst?«
»Ich habe ihm offen erklärt, daß er keinen Anspruch auf mich besitzt. Er hat frei gewählt.«
»Bist du der Ansicht, daß ein Nemet so etwas wirklich glaubt? Daß er jetzt nicht einen Anspruch auf die Loyalität der Methi hat ganz egal was er in deinem Namen tut? Er wird dich eines Tages so weit bringen, daß du es bist, die wählen muß. Er wird nicht ewig mit sich spielen lassen.«
»Er weiß, wie die Dinge liegen.«
»Dann frage dich doch einmal, warum er immer angelaufen kommt, wenn du ihn in dein Bett rufst, und wenn du entdecken solltest, daß es nicht deine persönliche Anziehungskraft ist, behaupte bitte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ein Nemet läßt sich so eine Behandlung nicht gefallen, jedenfalls nicht ohne einen sehr zwingenden Grund. Wenn du glaubst, dadurch die Sufaki unter Kontrolle zu bekommen, hast du dir den falschen Mann dazu ausgesucht.«
»Trotzdem«, in ihrer Stimme lag ein leichtes Zittern, das sie zu unterdrücken versuchte, »auch über meine Fehler habe nur ich zu entscheiden.«
»Ändert das etwas daran, wenn jemand stirbt?«
»Meine Entscheidung«, sagte sie so heftig, daß er eine Weile schwieg.
»Aber du liebst ihn nicht?« Es war eine Frage und eine Bitte. »Du bist zu klug, um ihn zu lieben, Djan. Du hast einmal selbst gesagt, daß die Welt dir diese Möglichkeit nicht gibt. Entweder wirst du ihn töten oder er dich, früher oder später.«
Sie zuckte die Achseln, und ihr alter Zynismus gewann wieder die Oberhand. »Ich wurde geschaffen, um einem Staat zu dienen. Das ist mir zur unerläßlichen Gewohnheit geworden. Andere Leute – wie du, mein Freund –, normale Leute, dienen nur den eigenen Interessen. Verbindungen, die dem eigenen Interesse oder den Interessen anderer dienen, liegen außerhalb meiner Erfahrungen. Ich habe immer geglaubt, egoistisch zu sein, aber ich beginne einzusehen, daß dieses Wort andere Dimensionen hat. Ich finde persönliche Beziehungen langweilig, diese ewig wiederholten Spiele von ich und du. Ich mag unverbindliche Kameradschaft. Trotzdem... liebe ich dich. Und ich liebe auch Shan. Aber das ist nicht dasselbe wie Nephane zu lieben. Diese Stadt gehört mir –
mir!
Bitte erspare mir jede Demonstration persönlicher Zuneigung. Ich würde jeden von euch beiden töten, wenn ich erkennen müßte, daß es für das Überleben dieser Stadt notwendig ist. Denke daran.«
»Du tust mir leid«, sagte er.
»Verschwinde!«
In ihren Augen glänzten Tränen und straften alles Lügen, was sie eben gesagt hatte. Sie kämpfte um Haltung – und verlor. Die Tränen rannen ihr über die Wangen, ihre Lippen zitterten in unkontrollierbarem Schluchzen. Sie preßte die Lippen zusammen, wandte sich von ihm ab und winkte ihm zu gehen.
»Es tut mir leid«, sagte er diesmal voller Mitleid. Sie schüttelte den Kopf und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen, bis sie den Anfall überwunden hatte.
Er nahm ihre Arme, versuchte sie zu beruhigen, und hatte ein Schuldgefühl gegenüber Mim. Aber er fühlte sich auch gegenüber Djan schuldig und befürchtete, daß sie es ihm nicht vergeben würde, Zeuge ihrer Schwäche geworden zu sein. Sie war länger hier als er, viel länger. Er kannte den Alptraum, in der Nacht aufzuwachen und erkennen zu müssen, daß die Wirklichkeit zu einem Traum geworden war und der Traum so real wie die Fremde, die neben ihm lag, das
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