Hanan 2 - Weltenjäger
irrigen Meinung, daß dein Leben für mich zu wertvoll wäre, um es zu vernichten. Wärst du ein Iduve, so würde ich sagen, es war eine außerordentlich riskante Form von Vaikka. Wärst du ein Iduve, so hättest du das Spiel verloren. Aber weil du ein M'metane bist, durftest du tun, wofür ein Iduve hätte sterben müssen.«
»Ist der Stolz der Iduve denn so verletzlich?«
»Hör auf, mich herauszufordern!«
Es war ein Schrei der Bedrängnis! Chimele selbst sah erschrocken aus; sie erinnerte ihn nun stark an ein wesensmäßig freundliches Tier, das über das erträgliche Maß hinaus gereizt wurde, an ein Geschöpf, das von einem Kind, das es liebte, bis zum Wahnsinn gequält wurde und zitterte, weil seine Nerven zum Zerreißen gespannt und seine Instinkte unterdrückt waren. Sie konnte nicht dagegen an, ebensowenig, wie ein Tier einer Bewegung seiner Beute widerstehen konnte.
Vaikka.
Da begriff er – es war tatsächlich ein Spiel nur für Iduve – ein Name, der einen höchst furchteinflößenden Instinkt deckte, einen Instinkt, den die Iduve selbst zu fürchten hatten, weil er all ihre sorgfältig gehütete Vernunft auseinanderriß. Dieser Zwang mußte tatsächlich bei ihren Paarungen eine Rolle spielen – ein komplizierter, unkalliranischer Instinkt. Es war vernünftig, wenn die Noi Kame vor allem die Zuneigung der Iduve und ihre Nähe fürchteten. Das Nervensystem eines Kallia war buchstäblich nicht auf diese Art von Wettbewerb abgestimmt. Ein Kallia würde das Beispiel eine Zeitlang mitmachen wollen und aufhören, bevor jemand verletzt würde; aber da gab es einen Punkt, jenseits dessen die Iduve nicht mehr aufhören
konnten
.
»Es ist möglich«, sagte er vorsichtig, »daß ich nicht sehr verständig gehandelt habe.«
Sie wurde merklich ruhiger bei diesem leichten Einlenken, ihr Atem verlangsamte sich, und sie tätschelte seinen Arm mit der gedankenlosen Zuneigung, die man einem Schoßtier bezeigen mochte; dann zog sie ihre Hand zurück, als sei sie sich seines inneren Schauderns bewußt. »Wenn du aber«, sagte sie, »deine Wesensart und die unsere begreifst, dann brauchst du nicht so kerzengerade dazustehen oder so unverschämt zu starren, wenn dich deine lose Zunge mit uns in Konflikt bringt.«
»Ich wurde nicht als Kameth erzogen.«
»Ich verstehe deine Schwierigkeit. Aber versuche nicht, nach unseren Gesetzen zu leben. Du kannst es nicht. Außerdem ist es unvernünftig, wenn du erwartest, daß wir die ganze Last der Selbstbeherrschung tragen. Ich habe dich unvermittelt in nahen Kontakt mit uns gebracht, in eine Beziehung, wie sie die meisten als Kamethi Geborenen kaum kennen. Das ist nun nicht mehr zu ändern. Ich habe auf deinen gesunden Verstand vertraut und die kalliranische – soll ich es Hartnäckigkeit nennen oder Elethia? Übrigens ein bewundernswerter Zug – vergessen, aber dies und unsere Aggressivität, unsere M'melakhia ergibt eine sehr unbeständige Verbindung.«
»Ich beginne, das einzusehen.«
»Geh für heute nacht zurück in dein Quartier, zu deiner eigenen Sicherheit. Ich werde deine M'melakhia, deinen – Beschützerinstinkt – für deinen menschlichen Asuthe respektieren, soweit ich kann; ich werde mich an dieses Gespräch nicht zu deinem Schaden erinnern. Du bist jetzt klüger als vorher. Ich rate dir, meinen Nasithi-Katasakke zu erkennen zu geben, daß Vaikka beigelegt ist.«
»Wie?«
»Durch eine besseres Benehmen und erhöhte Vorsicht in unserer Gegenwart.«
»Ich verstehe«, sagte er und zögerte verlegen, bis eine ungeduldige Handbewegung ihm deutlich zu verstehen gab, daß er entlassen war. Fast wollte er ihr noch danken, aber als er ihr nochmals in die Augen schaute, ließ ihn deren Kälte seinen Impuls unterdrücken: Er verbeugte sich und fühlte auf dem langen Weg zur Tür ihre Augen im Rücken.
Die Sicherheit der Halle, das Schließen der Tür hinter ihm brachten eine körperliche Erleichterung. Er senkte die Augen und wich einem vorbeigehenden Iduve aus, erreichte alleine den Lift und war froh, als er auf dem Stockwerk der Kamethi anlangte, wo sich die Kallia auf dem Flur drängten – die Wechselschicht, die Tag hatte, wenn für ihn Nacht war. Endlich kannte er die Iduve.
Räuber.
Außenseiter hatten nie das Ende der Herrschaftsperiode verstanden, die Spaltung des Iduve-Reichs.
Er begann zu begreifen.
Sie waren Jäger von allem Anfang an – eine Rasse, für die alles andere, was sich bewegte, Beute war, die keine Artgenossen dulden konnte. Sie
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