Hanan 2 - Weltenjäger
immun, wenn es sich um die Jungen handelt. Warum ist ihm Daniel unterworfen?«
»Ich lebe nicht in Anderson. Ich weiß nicht, was in seinem verdrehten Gehirn vor sich geht. Ich weiß nur, daß Daniel – in dieser Nacht – nicht anders hätte handeln können.«
»Sei so freundlich und erkläre Daniel, daß wir nach seiner Zeitrechnung noch annähernd drei Tage zur Verfügung haben. Daß Priamos selbst kaum so lange zu leben hat, und daß er und das Kind mit einer Million Wesen untergehen werden, wenn wir uns zu einem massiven Angriff auf diese Welt entschließen müssen.«
»Das habe ich versucht. Vom Verstand her weiß er das auch, aber er schließt mich aus. Er weigert sich, daran zu denken.«
»Dann haben wir fünfzehn wertvolle Tage verschwendet.«
»Ist das alles?«
Seine Stimme klang hysterisch; das entlockte Chimele einen neugierigen Blick, die Verlegenheit eines Beobachters, der keinen Zugang zu seinen Gefühlen hatte.
»Du bist erschöpft«, stellte sie fest. »Du kannst für den Rest der Nacht auf dieser Welt ein Beruhigungsmittel bekommen. Du kannst für diese Person nichts mehr tun, und ich weiß, wie lange du ohne richtige Ruhepause gearbeitet hast.«
»Nein.« Er hielt seine Stimme straff unter Kontrolle, verlangsamte seine Atmung. »Ich kenne Daniel. Er wird vernünftig werden, nachdem er eine Weile gelaufen ist. Dieses Gebiet wimmelt von Schwierigkeiten in jeder Form. Er wird mich brauchen.«
»Ich respektiere deine Beharrlichkeit. Bleib im Paredre. Wenn du einen Versuch machen willst, ihn zu beraten, würde ich gerne wissen, wie es dir ergeht. Wenn du deine Meinung wegen des Beruhigungsmittels änderst, sag es mir; wenn wir Daniel verlieren sollten, wird dein eigenes Wissen über die Menschen doppelt wertvoll. Ich will deine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen. Ich überlasse es dir; ruhe dich aus, wenn du kannst.«
»Danke.« Er zog sich hoch, machte eine Verbeugung und entfernte sich.
»Aiela.«
Er blickte zurück.
»Wenn du eine Erklärung für sein Verhalten gefunden hast, teile sie mir mit. Es interessiert mich.«
Er verbeugte sich noch einmal, im Zwiespalt zwischen Haß und Liebe zu den Iduve, und entschied sich für den Augenblick für die Liebe. Sie versuchte es. Sie versuchte es mit dem Verstand, wo ihr Herz unzureichend war, aber sie wollte es wissen. Im Schatten des Paredre bot ihm ein bequemer Schalensessel, wie ihn die Iduve zur Entspannung benutzten, eine Zuflucht. Er kuschelte sich in den tiefen Sitz, lehnte den Kopf an den Rand zurück und schlüpfte wieder in den geistigen Rhythmus von Daniels Körper, wurde Mensch, fühlte, wie der andere fühlte.
In der kleinen Ecke seines Bewußtseins, wo er noch er selbst war, kannte Aiela die Antwort. Es war vorherzusehen gewesen, von dem Moment an, als Daniel den Fuß auf die Oberfläche von Priamos setzte.
Vor Jahren, vor einer Welt, als Aiela noch ein Junge gewesen war, hatte die Dienerschaft einen der Raubvögel, die in den Felsen der Berge nisteten, mit gebrochenem Flügel in die Jagdhütte gebracht. Er hatte ihn gepflegt, war stolz auf ihn gewesen und hatte ihn als sein Eigentum betrachtet. Aber als der Vogel zum erstenmal die Winde von Ryi unter seinen Flügeln gespürt hatte, war er auf und davon geflogen.
7
Aiela war zurückgekommen. Daniel strafte ihn mit Schweigen, verlagerte das Gewicht des Kindes in seinen Armen und fühlte, wie sich ihre Arme unwillkürlich fester um seinen Hals schlangen. Über ihnen strahlte ein Stern, weiß leuchtend, strahlender als jeder Stern, den man je am Himmel von Priamos gesehen hatte. Als die Leute ihn sahen, dachten sie ›Amaut‹ und schauderten davor, sie waren sich der Größe des Sterns bewußt, hatten aber noch keine Ahnung, was er wirklich war. Vielleicht würden sie es nie erfahren. Wenn er auf eine nähere Umlaufbahn ging, würde dies das letzte Schauspiel am Himmel von Priamos sein, der in letzter Zeit so vieles hatte kommen und gehen sehen, das unheilvolle Rot der Amaut-Schiffe, das blitzende Weiß der menschlichen, die Truppen ausluden, Söldner, die den Amaut dienten. Wenn die
Ashanome
kam, würde das ein letzter, großer Sonnenuntergang über dieser Welt sein, die letzte Entscheidung der Iduve in einem kleinlichen Streit, der die Existenz seiner Rasse bedrohte und in dem ein Mann oder eine minderwertige Zivilisation nicht zählten gegen die Ehrenhändel, mit denen die Iduve sich beschäftigten.
›Das glaubst du doch selbst nicht‹
, sendete Aiela. Gleichzeitig mit den
Weitere Kostenlose Bücher