Hanan 2 - Weltenjäger
Leben, seine eigenen, privaten Gedanken.
Nun, da er an der Tür zum Paredre von einem Iduve angesprochen wurde, konnte er kaum genug Worte finden, um seine Anwesenheit in irgendeiner zivilisierten Sprache zu erklären. Der Iduve sah ihn scharf an, denn sein Verhalten zeugte von einer geistigen Verwirrung, die verdächtig war, aber Chimele hatte ausdrückliche Befehle gegeben, und der Mann fügte sich.
»Aiela?« Chimele erhob sich von ihrem Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes und zog die Brauen hoch, was ihrem Gesicht einen für eine Iduve beinahe erschrockenen Ausdruck verlieh. Aiela verbeugte sich sehr tief. In Anbetracht der Neuigkeiten, die er brachte, erforderte das die Höflichkeit.
»Daniel ist auf eine Schwierigkeit gestoßen«, sagte er.
»Drücke dich genauer aus.« Chimele nahm sich einen Stuhl und bedeutete Aiela, sich auf den gegenüberstehenden zu setzen.
»Der Überfall auf Upweiss«, begann Aiela heiser: Chimele bestand darauf, daß das Wesentliche chronologisch erzählt wurde. Er zwang sein Bewußtsein zur Ordnung, schirmte sich gegen die wahllosen Impulse ab, die aus Daniels Bewußtsein und aus Isandes ängstlichem Mitgefühl auf ihn einströmten. »Es lief wie geplant. Andersons Einheit erreichte das Mar-Grundstück. Daniel blieb zurück...«
»Das sollte er nicht«, sagte Chimele.
»Ich habe ihn gewarnt; ich habe ihn eindringlich gewarnt. Er kennt Andersons Mißtrauen gegen ihn. Aber Daniel kann nicht so handeln wie diese Männer. Sein Gewissen – seine ›Ehre‹«, verbesserte er in dem Versuch, Worte zu wählen, die für Chimele eine klare Bedeutung hatten – »ist durch den Zwang zum Töten verletzt. Er mußte beim letzten Überfall einen Mann umbringen.«
Chimele machte eine abwehrende Handbewegung. »Er wurde angegriffen.«
»Ich könnte erklären, wie die menschliche Ethik...«
»Erkläre, was im Augenblick von Bedeutung ist.«
»Da war ein Kind – ein Mädchen. Es war eine Krise. Ich versuchte, ihn zu bereden. Er schloß mich aus und nahm sie mit. Er ist immer noch unterwegs, er desertiert vor Anderson – und vor uns.«
In der Sprache der Iduve gab es keine Flüche. Möglicherweise trug das zu ihrer Wildheit bei. Chimele sagte nichts.
»Ich versuche, ihm vernünftig zuzureden«, sagte Aiela. »Er ist erschöpft – ausgelaugt. Er hat seit zwanzig Stunden nicht geschlafen. Letzte Nacht hat er wachgelegen, voll Abscheu vor dem bevorstehenden Überfall. Er lebt mit wenig Schlaf, ohne Wasser, ohne Nahrung. Er kann nicht erwarten, auf seinem Weg Wasser zu finden, nicht, bis er an den Fluß kommt. Sie können es nicht schaffen.«
»Dies ist kein vernünftiges, menschliches Verhalten.« Das war eine Frage. Chimeles Stimme war völlig ruhig, kein gutes Zeichen bei einem Iduve.
»Es ist menschliches Verhalten, aber es ist nicht vernünftig.«
Chimele zischte und erhob sich, die Hände an den Hüften. »Ist es nicht deine Aufgabe, solche Verhaltensweisen vorherzusehen und dich damit zu befassen?«
»Ich kann ihm keinen Vorwurf machen«, sagte er. Und dann, aus tiefstem Herzen: »Ich fürchte nur, ich könnte vielleicht anders gehandelt haben.« Dieser Gedanke bedrückte ihn so, daß er Tränen aufsteigen fühlte. Chimele sah ungläubig auf ihn herab.
»Au, was habe ich für einen Diener? Erkläre! Ich habe Geduld. Ist das eine vorhersehbare Reaktion?«
Aiela hätte laut aufschreien mögen. Das Paredre verschwand. Er zitterte in der Kälte der Nacht auf Priamos, die Pracht der gewundenen Sternenbänder war über ihm, er fühlte die zarte, süße Wärme eines anderen Wesens in seinen Armen. Seine Augen füllten sich mit Tränen; sein Atem stockte.
»Aiela«, sagte Chimele. Die Iduve konnten nicht weinen; der Reflex fehlte ihnen. Er schämte sich vor ihr, als er daran dachte.
»Die Reaktion«, sagte er, »ist wahrscheinlich instinktiv. Ich bin so sehr in ihn hineingewachsen, ich – kann es nicht sagen. Ich kann nicht mehr beurteilen, was er tut. Es scheint mir richtig zu sein.«
»Ist es Dhis-Instinkt, sein Verhalten in bezug auf dieses Kind?«
»So etwas Ähnliches«, sagte er, dankbar für ihren Versuch, eine Entsprechung zu finden. Chimele dachte einen Augenblick lang darüber nach, ihre Augen spiegelten nun mehr Verwirrung als Zorn.
»Es ist schwierig, sich auf so unbekannte Größen einzustellen. Ich bedauere, was du fühlen mußt, obgleich ich nicht sicher bin, daß ich es verstehen kann. Andere Menschen – wie Anderson – sind für dieses Gefühl
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