Hand und Ring
war schwer zu ertragen. Der junge Hildreth war unter seinen Genossen wegen seines persönlichen Mutes bekannt. Stolz und Wut kämpften in seinen Zügen um die Herrschaft. Er erwiderte kurz:
Ich war mir keiner Furcht bewußt. Freilich ahnte ich nicht, welcher Behandlung ich hier ausgesetzt sein würde.
Der Coroner und die Geschworenen sahen einander zweifelnd an, was in dieser peinlichen Angelegenheit weiter zu tun sei. Der junge Mann kam jedoch ihrem Entschlusse zuvor.
Meine Herren, sagte er so beherzt und kräftig, wie er bisher noch nicht gesprochen hatte, wenn Sie mich auch bisher noch nicht des Verbrechens beschuldigt haben, so hegen Sie doch offenbar den Verdacht, daß ich der Täter bin. Mich darf das nicht wunder nehmen. Wer sollte bei den belastenden Beweisen, die gegen mich vorliegen, an meine Unschuld glauben? Meine eigenen Worte haben wider mich gezeugt. Zögern Sie nicht, Ihre Pflicht zu tun! Der Gedanke, dieses furchtbaren Mords verdächtigzu sein, erschreckt mich jetzt nicht mehr. Ich bin bereit, ins Gefängnis zu gehen. Nach dem, was hier stattgefunden hat, kann mir die strengste Untersuchung nur willkommen sein, damit ich Gelegenheit finde, vor aller Welt meine Unschuld zu beweisen.
Die Wirkung seiner Rede in einem so entscheidenden Augenblick war groß. Viele Zuhörer waren tief ergriffen und zollten ihm Teilnahme und Beifall. Die Tatsachen sprachen jedoch allzu sehr zu seinen Ungunsten, als daß noch viel für ihn zu hoffen gewesen wäre.
Die Verhandlung schien sich noch weiter in die Länge ziehen zu wollen, Hildreths Verhör ward fortgesetzt, ohne daß Wesentliches dabei heraus kam; einige der früher bereits vernommenen Zeugen wurden nochmals aufgerufen, doch war aus der ganzen Haltung des Vorsitzenden deutlich zu sehen, daß die Festnahme des Verdächtigen nur eine Frage der Zeit sei.
Unter diesen Umständen beschloß Byrd, der sich sehr ermüdet fühlte, den Schluß der Verhandlung nicht abzuwarten Er gab seinen Platz am Fenster auf und schlich sich geräuschlos fort.
Zehntes Kapitel.
War Valerian Hildreth wirklich schuldig? –
So überzeugend auch die Tatsachen dafür sprachen, Byrd konnte die Zweifel nicht aus seinem Innern verbannen; sie quälten ihn mehr, als er sich eingestehen mochte, und hatten ihm die Rolle eines unbeteiligten Zuschauers bei der Verhandlung zuletzt unerträglich gemacht. Sein früherer Verdacht, der nach einer ganz andern Richtung ging, zwang ihn immer wieder, die Möglichkeit zu erwägen, ob nicht der junge Mann statt ein verruchter Verbrecher nur das Opfer einer höchst seltsamen Verkettung von Umständen sein könne.
Daß der Inspektor ihm freigestellt hatte, sich an den Nachforschungen zu beteiligen, wenn er dies nach seinem eigenen Urteil für zweckmäßig hielte, vergrößerte noch seine Pein. Wie konnte er es verantworten, einen Unschuldigen seinem Verhängnis zu überlassen, wenn es vielleicht in seiner Macht stand, den wirklichen Täter dem Arm der Gerechtigkeit zu überliefern?
Trotz dieser Erwägung fühlte er eine kaum zu überwindende Abneigung, den ersten Schritt zu tun, um das Rätsel zu lösen, welches Imogen Dares Persönlichkeit umgab. Sie hatte ein Gefühl in seiner Brust geweckt, das er nicht zu benennen wußte; es ging ein Zauber von ihr aus, der ihn bestrickte, eine Macht, die ihn bezwang. Bevor er sich in den Dienst der schweren Pflicht stellte, die zu erfüllen ihn sein Gewissen trieb, wollte er noch eine Probe wagen. Wenn er dabei zu der unumstößlichen Ueberzeugung gelangte, daß das Fräulein wirklich den Schlüssel eines Geheimnisses besitze, von welchem bei dem Verhör durch den Coroner nichts enthüllt worden war, dann galt es zu handeln.
Nach einigem Zaudern suchte er den Bezirksanwalt Ferris auf, erfuhr von diesem, daß Hildreth einstweilen unter polizeiliche Aufsicht gestellt worden sei, und fragte ihn, ob er nicht einen Auftrag an den Rechtsanwalt Orkutt für ihn habe, durch welchen er sich bei diesem einführen könne, da er seine nähere Bekanntschaft zu machen wünsche.
Ferris willfahrte seinem Verlangen, und Byrd begab sich ohne Säumen nach der ziemlich entlegenen Wohnung des Rechtsanwalts. Dort traf er es jedoch ungünstig für seinen Plan; Orkutt war zu sehr beschäftigt, um ihn empfangen zu können, und auf seine Frage, ob er vielleicht Fräulein Dare einen Augenblick sprechen könne, um eine Bestellung von Herrn Ferris auszurichten, erfuhr er, die junge Dame sei bei ihrer Freundin, Fräulein Tremaine, zu Besuch
Weitere Kostenlose Bücher