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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Hildreth, der auf seltsame Weise in betreff seiner Vermögensverhältnisse von der Witwe abhing. – Byrd brauchte seine ganze Kraft, um die ruhige Antwort zu erteilen. Sie hatte einen andern Namen erwartet. Er sah die Ueberraschung aus ihren Augen blitzen, ihre Züge erhellten sich unwillkürlich, sie holte tief Atem aus erleichterter Brust.
    Valerian Hildreth? wiederholte sie; ich habe den Namen noch nie gehört.
    Höchst wahrscheinlich, entgegnete Byrd. Es kennt ihn niemand in der Stadt. Erst am Morgen der Mordtat ist er hier angekommen. Ob er das Verbrechen wirklich begangen hat oder nicht, weiß natürlich niemand. Aber die Tatsachen zeugen wider ihn, und der arme Mensch ist verhaftet worden.
    Verhaftet, sagen Sie? – Ihre Stimme bebte kaum merklich.
    Ja, wie die Sachen stehen, war das selbstverständlich. Um die Zeit, als der Mordstreich fiel, hat er sich dort im Hause befunden. Er sagt aus, er habe auf dem Vorplatz gestanden und nichts von dem Täter gehört oder gesehen. Aber es liegen keine Beweise gegen irgendeinen andernMenschen vor; auch ist festgestellt worden, daß er das größte Interesse an dem Tod der Witwe hatte. Unter so erschwerenden Umständen wird es ihm kaum möglich sein, seine Unschuld zu beweisen. Vielleicht ist er aber auch wirklich der Mörder, fuhr der junge Detektiv fort, das Grauen und Entsetzen in ihren Blicken gewahrend, man kann sich freilich schwer vorstellen, wie ein feiner, gebildeter Mann dazu kommt, eine solche Tat zu begehen.
    Sie schien seine Worte kaum zu beachten.
    Er stand auf dem Vorplatz? wiederholte sie, wie kam er dorthin, was wollte er dort?
    Er hatte eine Unterredung mit der Witwe gehabt und sagt, er habe seine Gedanken sammeln wollen. Das scheint nicht recht glaubhaft – aber die Sache ist so geheimnisvoll –
    Sagt er, er habe die Witwe schreien hören? fragte sie mit zitternder Stimme; hat er kein Geräusch vernommen, keine Schritte gehört?
    Nein. Wenn er die Wahrheit sprach und wirklich auf dem Vorplatz war, wahrend das Verbrechen verübt wurde, muß kein Laut aus dem Zimmer zu ihm gedrungen sein.
    Es entstand eine Pause; vom Klavier her vernahm man eine wohltönende Männerstimme:
    »O sprecht, ist das Liebe, der treu nicht das Herz,
»In Ehre und Schande, in Freude und Schmerz?«
    *
    In Fräulein Dares Zügen ging eine sichtliche Veränderung vor; sie schwieg noch einen Augenblick. Wenn er nichts gesehen und gehört hat, sagte sie, wie weiß man denn, daß er überhaupt während der Tat im Hause war?
    Das ist nur durch eine genaue Berechnung von Zeit und Stunde ans Licht gekommen. Er selbst will nichts davon gewußt haben.
    Sie sagen, er sei ein gebildeter Mensch?
    Ja, ein feiner Herr, und hübsch und jung obendrein.
    Und er ist ins Gefängnis abgeführt worden?
    Wenn es noch nicht geschehen ist, geschieht es wohl schon morgen. –
    Sie trat an das Fenster und blickte in die Nacht hinaus.
    Vermutlich hat er Freunde, sagte sie leise.
    Zwei Schwestern, vielleicht auch sonst jemand, der seinem Herzen nahesteht.
    Mir wird plötzlich so schwindelig zumute, murmelte sie, sich auf das Fensterbrett stützend.
    Die Klänge der Musik im Nebenzimmer, welche das ganze Gespräch begleitet hatten, schwiegen jetzt, und fröhliches Stimmengewirr trat an deren Stelle. –
    Ich danke Ihnen sehr für Ihre Mitteilungen, wandte sich Fräulein Dare wieder an Byrd; das traurige Ereignis hat mich viel beschäftigt, und es war mir lieb, Näheres darüber zu erfahren. Ich muß mich jetzt zurückziehen und wünsche Ihnen guten Abend. –
    Sich höflich, aber stolz verneigend, schritt sie an Byrd vorbei in das Musikzimmer, entschuldigte sich bei der Wirtin mit leichtem Unwohlsein und verschwand, ohne Aufsehen zu erregen, aus der Gesellschaft.
    Der junge Detektiv verweilte noch etwa eine halbe Stunde in dem heitern Kreise; was er aber dort sprach und tat, wann oder mit wein er fortging, und wie er in sein Hotel zurückkam, war ihm später nicht mehr erinnerlich. Lange nach Mitternacht ging er noch immer ruhelos in seinem Zimmer auf und ab, um den schwersten Entschluß seines Lebens zu fassen, welchen sein Pflichtgefühl jetzt unerbittlich von ihm forderte.

Elftes Kapitel.
    Als Byrd am nächsten Morgen die Schreibstube des Bezirksanwalts betrat, fiel es Ferris auf, wie elend und angegriffen er aussah.
    Ich komme, sagte der junge Detektiv, um mich bei Ihnen zu erkundigen, was Sie von Herrn Hildreths Aussichten halten. Sind Sie entschlossen, ihn verhaften zu lassen?
    Das ist unzweifelhaft

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