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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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wieviel Uhr verließen Sie Ihr Hotel, Herr Hildreth?
    Das weiß ich nicht, war die unwillige Antwort.
    Ich kann es Ihnen sagen, behauptete der Coroner; es war etwa zwanzig Minuten vor zwölf; möglicherweise noch früher, aber nicht später. Ich weiß das, weil Frau Daytons Kinder aus der Nachbarschaft noch wenige Minuten, ehe der Hausierer vorbeikam, hier vor dem Hause spielten.Da Sie die Kinder nicht sahen, müssen Sie das Haus betreten haben, ehe jene ihr Spiel anfingen, also mindestens um dreiviertel auf zwölf.
    Nun, und wenn dem so wäre? – Die Blicke des Zeugen fuhren wild im Kreise umher.
    Wenn Sie um dreiviertel auf zwölf hier im Hause waren und es erst zwei Minuten vor zwölf verließen, fuhr der Coroner fort, wenn Ihr Gespräch mit der Witwe nur aus den wenigen Worten bestand, die Sie erwähnten, und also kaum zwei Minuten gedauert haben kann, so entsteht die Frage: wo waren Sie in der Zeit, die zwischen Ihrer Unterredung liegt und dem Moment, als Sie das Haus verließen?
    Hier galt keine Ausflucht. Der feine junge Herr, der bisher so aufrecht dagestanden bei all den peinlichen, ja demütigenden Fragen, die ihm gestellt wurden, verlor seine stolze Haltung und beugte das Haupt, als habe ihn ein wuchtiger Schlag getroffen. Er murmelte einen unterdrückten Fluch, die Adern auf seiner Stirn schwollen ihm zum Zerspringen, und sein ganzes Gebaren trug so deutlich den Stempel der Schuld, daß sich manches Auge von dem peinvollen Anblick abwandte.
    Der Coroner wartete eine Weile schweigend. Antworten Sie! sagte er dann.
    Herr Coroner, rief jener so laut und zornig, daß ängstliche Gemüter zusammenschraken, es ist für einen anständigen Menschen ein ganz verdammtes Gefühl, so in die Enge getrieben zu werden. Doch Sie sollen die Wahrheit hören: ich habe das Haus der Witwe nicht so schnell verlassen, als ich vorhin angab; ich blieb noch etwa fünf Minuten in dem kleinen Vorsaal stehen, der zur vorderen Haustür führt. Währenddem muß wohl der Hausierer nach der Küchentür gegangen und wieder zurückgekommen sein. – Der Blick, den Hildreth dem Coroner zuwarf, schien zusagen, daß nun die Sache doch wohl erledigt sei. Dieser aber verzog keine Miene.
    Was taten Sie auf dem Vorplatz? fragte er mit Eiseskälte.
    Der andere sah zu Boden. Was ich tat? – das will ich Ihnen sagen: ich überlegte. – Nimmt Sie das Wunder? rief er, sich erregt zu den Geschworenen wendend. Ich versichere Sie, ich hatte alle Ursache dazu, nach einer Unterredung, die mir die letzte Hoffnung raubte. Noch klüger wäre es vielleicht gewesen, ich hätte mich gleich ins Wasser gestürzt oder meinem Leben auf eine andere Weise ein Ende gemacht.
    Wie hätte er die verzweifelte Stimmung, in der er sich in jenem verhängnisvollen Moment befand, besser schildern können? Er erkannte das selbst, als es zu spät war; der Schweiß trat ihm auf die Stirn, und er raffte sich zusammen wie jemand, der sich auf das Schlimmste gefaßt macht. Noch ermannte er sich noch zu einem letzten Wort:
    Eins erkläre ich noch der Wahrheit gemäß: ich habe die Witwe nicht wieder gesehen, nachdem wir beide das Zimmer verließen. Vielleicht war, ohne daß ich es wußte, die Hand, die den Schlag gegen sie geführt hatte, schon erhoben, während ich auf dem Vorplatz stand; aber ich habe nichts davon gesehen und ahne nicht, wer der Täter ist.
    Dieser erste Versuch Hildreths, die Schuld von sich abzuwälzen, blieb nicht ohne Eindruck. Des Coroners Strenge ließ nach, und die Geschworenen sahen einander erleichtert an. Die günstige Stimmung verflog jedoch bald wieder; der Verdacht gegen den jungen Mann war zu schwer, und sein Auftreten hatte nur dazu gedient, ihn zu verstärken.
    Dies war klar ersichtlich aus den Fragen, welche jetzt von einzelnen Geschworenen an ihn gerichtet wurden.
    Wollen Sie mir sagen, forschte der eine, aus welchenGründen Sie nach Sibley zurückgekommen sind, nachdem Sie es so eilig verließen?
    Die Antwort erfolgte ohne Zaudern:
    Ich las von dem Tod der Witwe in der Zeitung, und es ließ mir keine Ruhe, bevor ich nicht alle Einzelheiten des Ereignisses kannte.
    So war es wohl Neugier, was Sie veranlaßte, bei der heutigen Verhandlung zu erscheinen?
    Nichts anderes.
    Und was bewog Sie, sich mit falschem Namen in das Fremdenbuch zu schreiben? fiel hier der Coroner ein.
    Wie das kam, weiß ich selbst kaum. Es mag mir unter den Umständen wohl geraten erschienen sein, den meinigen zu verschweigen.
    Mit andern Worten: Sie hatten Furcht! –
    Das

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