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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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angebunden. Mit der langen Ruderstange, die ich im Grase fand, stieß ich es ab und gelangte hinüber. – Der Detektiv, der sich schon einmal in dieser Sache eine große Anstrengung zugemutet hat, wird vielleicht den Versuch wagen und finden, daß man unter diesen Umständen die Strecke vom Hause der Frau Klemmens bis zu der Station in 90 Minuten zurücklegen kann, ja sogar in noch kürzerer Zeit. Ich habe es getan.

    Mit männlichem Stolz, ohne einen Blick auf Imogenzu werfen, nahm der Angeklagte seinen Platz wieder ein und blieb ruhig und gefaßt sitzen, wie zuvor.
    Daß er sich in eine höchst kritische Lage gebracht hatte, war unschwer zu erkennen. Nach den wechselnden Empfindungen der letzten halben Stunde befand sich die Menge in einer ungeheuren Aufregung. Die gereizte Stimmung der Geschworenen konnte leicht in ihrem Wahrspruch Ausdruck finden. Unmittelbar nach Imogens Selbstanklage hatte Mansell durch sein Geständnis seine eigene Verteidigung Lügen gestraft und stand nun schutzlos da, der Strenge des Gesetzes preisgegeben. Er war des Mordes angeklagt, die Gerechtigkeit verlangte Blut für Blut, die Menge wollte ein Opfer haben: es war ein gefährliches Spiel, das man mit ihr getrieben hatte. Was ging der Liebesmut dieser zwei Menschen, die füreinander sterben wollten, die Geschworenen an? Mußten sie nicht sagen, daß die Schuld des Gefangenen so gut wie erwiesen sei? Er hatte gestanden, daß er mit falschen Waffen gekämpft habe; wer unschuldig ist, braucht sich nicht durch eine Lüge zu schützen. Man war gerechtfertigt vor Gott und Menschen, wenn man annahm, daß ihn sein eigenes Zeugnis überführt habe.
    Solche und ähnliche Reden vernahm man in der Menge, ein wildes Stimmengewirr brauste durch den ganzen Saal, und selbst den Gerichtsdienern würde es mit Aufbietung ihrer ganzen Amtsgewalt schwerlich gelungen sein, die Ordnung wieder herzustellen. Aber plötzlich verbreitete sich ganz von selbst eine erwartungsvolle Stille in der Versammlung; man sah, wie der Vorsitzende Ferris und Orkutt zu sich heranwinkte, und die Anwälte in eifrige Verhandlung mit dem Gerichtshof traten.
    Bald nachher wandte sich der Richter zu den Geschworenen und kündigte ihnen an, es sei unbedingt nötig, die Enthüllungen, welche die Sitzung gebracht habe, einer sorgfältigen Erwägung zu unterwerfen und einstweilen die Verhandlungzu vertagen. Die Geschworenen würden am besten tun, sich inzwischen jeder Besprechung des Falls auch unter einander zu enthalten. Der Beschluß ward einstimmig angenommen, und die Sitzung bis zum andern Morgen um 10 Uhr vertagt.
    Imogen sah von ihrem Platze auf der Zeugenbank aus, wie der Angeklagte abgeführt wurde. Mochte ihr Zeugnis wahr oder falsch erfunden werden, ihr Ruf war in den Augen der Welt auf immer vernichtet. Auch schien es, als habe das furchtbare Opfer, das sie gebracht hatte, nur dazu gedient, den Mann, welchen sie liebte, unrettbar in den Abgrund zu stürzen, aus dem sie versucht hatte ihn zu befreien.

Dreiunddreißigstes Kapitel.
    In des Bezirksanwalts Bureau fanden sich die beiden Detektivs wieder zusammen.
    Ich habe Sie rufen lassen, sagte Ferris, um in der schwierigen Frage Ihre Meinung zu hören: sollen wir Fräulein Dares Zeugnis fallen lassen und Mansells Anklage weiter verfolgen?
    Hickory war schnell mit der Antwort bei der Hand: Ich dächte, wir wären doch dieser neuesten Bewerberin um die Ehre, die Witwe Klemmens erschlagen zu haben, wenigstens Gehör schuldig, sagte er.
    Aber Sie können doch ihrer Geschichte unmöglich Glauben schenken, rief Byrd ungeduldig, Sie wissen so gut wie ich, daß sie das Verbrechen nicht begangen hat. Auch Sie, Herr Bezirksanwalt, zweifeln doch gewiß nicht an Fräulein Dares Unschuld?
    Statt der Antwort wandte sich Ferris an Hickory: Die Dienerin hat Ihnen damals mitgeteilt, sie habe das Fräuleinam Morgen der Mordtat nicht im Turmzimmer gefunden. Glauben Sie, daß sich Fräulein Dare auf Sie berief, damit Sie dies bestätigen sollten?
    Vermutlich, meinte der Detektiv.
    Aber ist sie auch wirklich nicht dagewesen? fuhr Ferris kopfschüttelnd fort. Mir hat sie bei unserer gestrigen Unterredung ganz andere Angaben gemacht. Sie sagte, das Mädchen habe sie nur nicht gesehen, weil sie hinter einem hohen Mappenständer, der sie ganz verbarg, durch ein Fernrohr schaute –
    Hickory sah betroffen auf: Dies ist nicht unwahrscheinlich, fiel er ein. Als ich den Besuch im Turmzimmer machte, merkte ich zuerst auch nichts von ihrer Anwesenheit.

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