Hand und Ring
sich durch den ganzen Gerichtssaal, bis der Vorsitzende endlich das Wort ergriff.
Sie haben wohl die Tragweite des Zeugnisses, das Sie vor uns abgelegt haben, nicht bedacht und sind nicht in der Verfassung, um den Inhalt Ihrer Aussage abzuwägen, Fräulein Dare, redete er die Zeugin an. Das Mitgefühl für den Angeklagten und Ihre eigene Erregung über die Wiedereröffnung des Verhörs hat Sie verwirrt und unzurechnungsfähig gemacht. Wir lassen Ihnen Zeit, sich zu fassen; der Gerichtshof wird warten, bis Sie ruhiger geworden sind und uns den wahren Sachverhalt mitteilen können.
Mit bleichen Lippen und gesenkten Hauptes stand Imogen da, ein Bild starrer Verzweiflung; aber sie blieb bei ihrem Vorsatz.
Ich habe nichts mehr zu erwägen, sagte sie. Sie wissen nun, wie Frau Klemmens den Tod gefunden hat: ich habe sie erschlagen; Craik Mansell ist unschuldig.
Während des erregten Stimmengewirrs, das auf diese Worte folgte, sahen Byrd und Hickory einander mit zweifelnden Blicken an.
Sie spricht nicht die Wahrheit, flüsterte ersterer, denken Sie daran, was sie damals in der Hütte sagte –
Still, gab Hickory zurück, geben Sie acht, Orkutt will reden.
Dem Rechtsanwalt war es endlich gelungen, seinerfurchtbaren Gemütsbewegung Herr zu werden und sich zu erinnern, was sein Amt, seine Stellung von ihm fordere. Angesichts der bestürzten Geschworenen, der erregten Menge, schleuderte er zündende Worte hervor, welche die schwüle Atmosphäre mit einem Schlage verscheuchten.
Dies ist keine Zeugenaussage, rief er, es ist Wahnsinn und Raserei. Das Fräulein ist durch das Verhör so lange gemartert worden, bis sie nicht mehr zurechnungsfähig und verantwortlich ist für ihre Aussage. Der Herr Bezirksanwalt wird sicher keinen Augenblick zögern, die Zeugin abtreten zu lassen, die so sichtlich unter einem Anfall von Geistesverwirrung leidet.
Ich muß vor allem feststellen, sagte Ferris, sich gleichfalls ermannend, daß mir das Bekenntnis der Zeugin nicht weniger überraschend kommt, als den übrigen Anwesenden. Es hat durchaus nichts mit der Tatsache gemein, welche ich dem Gerichtshof zu unterbreiten wünschte; nach der Unterredung, welche ich gestern abend mit dem Fräulein hatte –
Ich protestiere gegen jede Wiedergabe dieser Unterredung, fiel Orkutt leidenschaftlich ein; welcher Art sie gewesen ist, lassen die Folgen, die hier zu Tage treten, nur zu deutlich erkennen. Die Stimme erhebend, so daß sie bis ans äußerste Ende des Saales drang, fuhr er fort:
Meine Herren, wir haben soeben einen Auftritt erlebt, der zu dem erschütterndsten gehört, was es auf Erden gibt. Durch ein übermächtiges Gefühl fortgerissen, sich selbst zu opfern, hat ein junges, schönes und bisher hochgeachtetes Weib in einem Augenblick falschen Eifers oder wahnsinniger Angst Worte ausgestoßen, die wie ein Schuldbekenntnis klingen. Ein solches Begebnis muß in jeder Brust das tiefste Mitgefühl wecken. Auch ich, meine Herren, teile diese Empfindung. Wie auch Ihr Urteil für meinen Klienten ausfallen mag, ob Sie ihn schuldig sprechen, statt ihn ehrenvoll zu entlassen – er wäre nicht der Mann, für den ich ihn halte,wenn er seine Rettung einem so wahnsinnigen Bekenntnis verdanken möchte, das jeden Schein der Wahrheit entbehrt. Ich wiederhole daher meinen früheren Einspruch und bitte den Herrn Bezirksanwalt, ein Verhör zu beenden, das für seine Sache ebenso unersprießlich ist, wie für die meinige.
Ich teile ganz Ihre Ansicht, war Ferris' Erwiderung, daß der Augenblick für unsere Verhandlung durchaus ungeeignet ist. Mit Erlaubnis eines hohen Gerichtshofs will ich daher die Zeugin zurückziehen, obwohl ich dann zugleich darauf verzichten muß, die wichtige Tatsache zu enthüllen, welche ich gegen die Verteidigung vorzubringen dachte.
Noch ehe jedoch der Bezirksanwalt Imogen auffordern konnte, abzutreten, wandte sich diese selbst an den Vorsitzenden:
Euer Gnaden werden mir gestatten, zu bleiben, bis ich klar bewiesen habe, daß nicht die Hand des Angeklagten Frau Klemmens getötet hat, sondern die meinige. Habe ich die Qual erdulden müssen, Zeugnis gegen ihn abzulegen, so gebührt mir auch das Recht, öffentlich seine Unschuld und meine Schuld zu erklären.
Der Gerichtshof ist der Meinung, lautete die Antwort, daß Ihre heutige Gemütsverfassung nicht für das Verhör geeignet ist. Wenn Sie die Wahrheit sprechen, so wird Ihnen später hinreichende Gelegenheit geboten werden, Ihre Erklärung abzugeben und zu beweisen. Denn Sie
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