Hand und Ring
Zufällig blickte ich hinter das Gestell, auf dem die Himmelskarten standen, da sah ich sie.
Nun hielt Ferris es für geboten, den Detektivs die weiteren Aussagen Imogens vom vergangenen Abend mitzuteilen, die ihnen erstaunlich genug klangen. Durch das Fernrohr, das sie zuerst auf die Stadtuhr, sodann auf Frau Klemmens' Haus gerichtet haben wollte, hatte sie Mansell um fünf Minuten vor zwölf nach dem Sumpfe zu fliehen sehen.
Aber soll ich nun ihren gestrigen Angaben glauben, oder ihrem heutigen Zeugnis vor Gericht? fuhr Ferris zweifelnd fort und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen.
Die Detektivs sahen einander fragend an; dann ergriff Byrd das Wort:
Herr Bezirksanwalt, wir beide, Hickory und ich, wissen genau, daß Fräulein Dare an dem Morde unschuldig ist; ein Umstand, den wir bis jetzt verschwiegen haben, hat uns den wahren Verbrecher verraten. – Erzählen Sie, Hickory, wie Sie das Fräulein durch Ihre Verkleidung in der Hütte getäuscht haben, wandte er sich an seinen Kollegen, mir scheint, die Sache ist schon allzulang geheim gehalten worden.
So berichtete denn der Detektiv, was er getan hatte: wie er Imogen durch Mansells Brief nach der Hütte gelockt und sie bei der Unterredung mit ihrem vermeintlichen Geliebten ihre Ueberzeugung von dessen Schuld ausgesprochen und ihn aufgefordert habe, sie zu bekennen.
Ferris hörte überrascht und gespannt zu.
Damit scheint mir die Frage ein- für allemal erledigt, sagte er.
Wie man an ihrer Unschuld auch nur einen Augenblick zweifeln kann, ist mir unfaßlich; ihre Selbstanklage scheint mir dagegen weit eher begreiflich, rief Byrd. Ich denke mir den Verlauf der Sache von ihrem Standpunkt aus etwa so: sie hält ihren Geliebten für den Mörder, ein Unschuldiger gerät statt seiner in Verdacht; nach der Unterredung im Walde hofft sie, der Verbrecher werde freiwillig seine Schuld bekennen, aber die Zeit verrinnt, Hildreth macht den Selbstmordversuch, nun läßt sie ihr Gewissen, ihr Gerechtigkeitsgefühl nicht länger schweigen, sie selbst tut den ersten Schritt, um uns auf die Spur der Wahrheit zu lenken. Mansell wird angeklagt, das Gerichtsverfahren beginnt. Bei der Erfüllung der schweren Pflicht, wider ihn zu zeugen, hält die Hoffnung sie aufrecht, daß es nicht gelingen werde, ihn des Verbrechens zu überführen, daß ihn die Verteidigung retten könne. Die Tatsache, die ihn vernichten müßte – seine Flucht vom Hause der Frau Klemmens zur Zeit des Mordes – denkt sie fest in ihrem Busen zu verschließen. Lieber, als diese vor Gericht zu bekennen, würde sie zu dem letzten Ausweg greifen, der ihr dann noch bleibt – sich selbst zu opfern. Was geschieht? – Der Scharfsinn des Verteidigers hat ein Mittel gefunden, selbst die überzeugendsten Beweise zu entkräften, die Freisprechung scheint kaum mehr zweifelhaft. Da treten Sie vor sie hin und sprechen den Argwohn aus, daß sie von dem Verbrechen mehr wisse, als sie enthüllt habe. Entsetzt erkennt sie, daß sie ihr Geheimnisnicht zu bewahren vermag; sie steht vor der Wahl, den Geliebten zu vernichten oder sich selbst. – Aber, vielleicht irrt sie sich, vielleicht ist er trotz ihres Zeugnisses noch zu retten? – Um hierüber Gewißheit zu erlangen, gesteht sie Ihnen die Tatsache, an der, wie sie glaubt, Mansells Leben hängt. Nein, sie hat sich nicht getäuscht: Ihre ernste Miene, vielleicht ein Wort Ihres Mundes bestätigt ihre Furcht. In der angstvoll durchwachten Nacht reift ihr Entschluß, sich selbst zu opfern. Hat sie den Geliebten anklagen können, um einen Schuldlosen zu befreien, so besitzt sie auch Seelenstärke genug, sich selbst zu beschuldigen, damit das teuere Leben gerettet werde, das durch ihr Zutun am Rande des Verderbens schwebt. Aber, schloß der Detektiv seine Auseinandersetzung, daß Mansell ihr Opfer nicht annehmen und lieber auf seine Rettung verzichten würde, als auf seine Mannesehre, daran scheint sie freilich nicht gedacht zu haben.
Sie nehmen Mansells Schuld für völlig erwiesen an, sagte Hickory kopfschüttelnd; bei mir ist das durchaus nicht der Fall. Zwar gestehe ich offen, daß ich manches unerklärlich finde, z.B. seine Flucht vom Hause der Witwe, die übrigens nicht einmal vor Gericht beschworen ist; aber meine sonstige Ansicht habe ich völlig geändert. Ich bin jetzt fest überzeugt, daß er unschuldig ist, während ich ihn früher für den Mörder hielt.
Byrd und Ferris wechselten erstaunte Blicke.
Sie können sich darauf verlassen, wiederholte Hickory
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