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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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müssen wissen, Fräulein Dare, daß ein Bekenntnis dieser Art völlig nichtig ist, wenn es nicht durch anderweitiges Zeugnis bestätigt wird.
    Aber ich kann ein solches Zeugnis beibringen, Euer Gnaden, entgegnete sie mit entsetzlicher Ruhe. Rufen Sie jenen Mann wieder auf, sie deutete auf Hickory, und lassen Sie ihn die Unterredung wiederholen, die er vor etwa zehn Wochen in Professor Darlings Turmzimmer mit einer Dienerin geführt hat. Das wird meine Aussage bestätigen.
    War das nicht weit schlimmer als ihre erste Selbstanklage? – Was allen wie eine Ausgeburt des Wahnsinns, wie ein wirrer Traum erschienen war, erhielt auf einmal Gestalt und Wesen, dadurch, daß sie einen Gewährsmann aufrief, um ihr Bekenntnis zu erhärten. Sie stand und wartete mit starrem Blick auf die Antwort des Richters, wie jemand, der auf dieser Welt nichts mehr zu fürchten und nichts mehr zu hoffen hat.
    Der Vorsitzende fand kein Wort der Erwiderung, auch Orkutt und Ferris waren verstummt. Eine bedrückende Stille lagerte über der Versammlung, als plötzlich eine unbekannte, männlich feste Stimme von der Seite des Gerichtszimmers her schallte, wo man zuvor Orkutts Redefluß vernommen hatte.
    Es war der Angeklagte, welcher sprach. Stolz aufgerichtet, eine nicht weniger edle Erscheinung als das Weib, das er geliebt hatte, stand Craik Mansell vor seinen Richtern. Konnte der Mann, der mit so ruhiger Festigkeit auftrat, dessen würdig ernstes Wesen ihn den Ehrenmännern, die ihn umgaben, gleichzustellen schien, in Wahrheit ein Verbrecher sein? Es schien kaum glaublich, aber seine Worte waren nicht die eines fälschlich Angeklagten, und er beteuerte seine Unschuld nicht.
    Ich bitte um Verzeihung, sagte er, daß ich mich unmittelbar an den hohen Gerichtshof wende; besonders möge es der Herr Verteidiger entschuldigen, der meine Sache mit so außerordentlicher Geschicklichkeit geführt hat. Wäre er weniger edel und hochherzig, ich würde fürchten, mir seinen Groll zuzuziehen.
    Ohne den überraschten und finsteren Blick zu bemerken, den Orkutt ihm zuwarf, fuhr der Angeklagte, zu dem Vorsitzenden gewandt, fort:
    Ich hätte geschwiegen, wenn ich nicht besorgen müßte, das Gericht könnte von seinem Beschluß in betreff der Zeuginzurückkommen. Es ist auch meine Ansicht, daß ihr Zeugnis nicht berücksichtigt werden darf, und ich will tun, was in meiner Macht liegt, damit dies nicht geschieht.
    Der Richter erhob warnend die Hand, aber Mansell sprach ruhig und bestimmt weiter:
    Ich bitte, mich anzuhören: ich habe nicht die Absicht, gleich der Zeugin ein voreiliges Bekenntnis abzulegen; ich will nur verhindern, daß ihre Selbstanklage an Gewicht gewinnt durch die Zweifel über meine Schuld, welche infolge meiner Verteidigung entstehen könnten.
    Sobald der Angeklagte zu reden begann, hatte Orkutt in großer Unsicherheit geschwebt, ob er seinen Klienten fortfahren lassen oder ihm das Wort abschneiden solle. Jetzt erkannte er, daß der Ausgang des ganzen Rechtfalls ernstlich gefährdet sei und erhob sich schnell. Ein Blick auf Imogen brachte ihn jedoch auf andere Gedanken, und er nahm seinen Platz ebenso rasch wieder ein.
    Noch gestern, fuhr der Angeklagte fort, war ich willens, meine Rettung der anscheinend so unanfechtbaren Verteidigung zu danken, aber heute ist es anders. Es wäre schmähliche Feigheit, wollte ich der Großmut dieses Weibes gegenüber zugeben, daß eine Unwahrheit irgendwelcher Art sie in Gefahr bringt, oder mich vor dem Verhängnis schützt, das meiner vielleicht wartet. – Herr Rechtsanwalt, wandte er sich mit größter Hochachtung an Orkutt, man hat Ihnen gesagt, daß der Weg von Frau Klemmens' Hause über die Brücke und nach der Station am Steinbruch nicht in 90 Minuten zurückgelegt werden könne, und Sie haben es geglaubt. Auch war es kein Irrtum. Nur wenn man ein Mittel findet, über den Strom zu kommen, ohne den Umweg nach der Brücke zu machen, läßt sich die Zeit erheblich kürzen. Ich weiß wohl, fuhr er fort, als mancherlei Ausrufe in der Menge laut wurden, besonders seitens des höchlich betroffenen Hickory, daß ein Wanderer, der zufällig des Wegeskommt, ein solches Auskunftsmittel schwerlich entdecken würde. Wäre aber ein Holzhauer hier zugegen, so würde er mir ohne Zweifel bestätigen, daß die Baumstämme, welche häufig dort den Strom hinunter nach der Station geflößt werden, einen leichten Uebergang gewähren. Als ich an jenem verhängnisvollen Tage an das Flußufer kam, lag ein solches Floß dort

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