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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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Seerosenblättern aus dem Amazonasgebiet – gewaltige runde Blätter, die aufgrund ihres stützenden Netzwerks aus Blattnerven stark genug sind, das Gewicht eines Kindes zu tragen.«
    »Das mag ja sein, aber die Zivilisation ist der Triumph des Menschen über die Natur.« Mr Talbot griff unter den Tisch und zog eine dreißig Zentimeter lange, rechteckige Kiste hervor. Behutsam stellte er sie auf die Tischplatte neben seinen Teller. »Seht mal. Eigentlich wollte ich das für später aufheben, aber jetzt scheint der richtige Zeitpunkt zu sein.« Bewundernd fuhr er mit dem Finger über die lackierte Holzoberfläche der Kiste. »Die ewige Mausefalle. Eine kleine, aber geniale Ergänzung der Sammlung. Eine Falle, die sich selbst neu stellen und fortwährend Mäuse fangen kann.«
    Alice sah zu Mr Blake hinüber, der fröhlich mit einer Gabel abwinkte. »Oh, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken«, sagte er mit einem Nicken und lächelte. »Cattermole hat am Essenstisch immer von krankheitsbefallenen Leichnamen gesprochen. Es bedarf mehr als einer bloßen Mausefalle, um mich abzuschrecken, das kann ich Ihnen sagen.«
    Es trat eine höfliche Pause ein. »Ganz genau«, sagte Mr Talbot. Er räusperte sich. »Wie ich schon sagte, können die meisten Fallen bloß eine Maus auf einmal fangen und töten, aber diese hier katapultiert dank ihrer Federdruck-Drehkreuz-Mausetür die Maus in eine hintere Kammer und ist auf der Stelle bereit für die nächste Maus. Damit lassen sich bis zu achtundzwanzig lebendige Mäuse in einer einzigen Falle fangen. Mehr noch, wenn man die Aufbewahrungskammer vergrößert. Ja, ihrer Kapazität wären keine Grenzen gesetzt, wenn man eine größere Aufbewahrungskammer benutzen würde. Genial, findet ihr nicht? Ein bescheidenes Beispiel für Fortschritt, für die Findigkeit des Menschen, die über die natürliche Neigung der Maus triumphiert, sich fortzupflanzen und die Pest zu übertragen. Ich werde sie heute Nacht in den Stallungen ausprobieren.«
    Alice schüttelte den Kopf. »Und was soll man mit achtundzwanzig lebendigen Mäusen anfangen? Wirklich, Vater, nimm das Ding vom Tisch weg. Es sollte in der Küche sein, zusammen mit der Katze.«
    »Dank dieser Falle wird es keinen Bedarf mehr an Katzen geben.«
    »Aber Alice hat recht«, sagte Tante Lambert. »Dein sogenannter Fortschritt ist nichts weiter als einfach das Austauschen einer Ansammlung von Bedingungen und Einschränkungen gegen eine andere.«
    »Genau«, sagte Alice. »Eine Katze würde die Mäuse, die sie fängt, auffressen. Aufgrund ihrer natürlichen Triebe befreit sie uns von Ungeziefer und ernährt sich. Deine Mausefalle lässt immer noch das Problem offen, was man mit achtundzwanzig lebendigen Mäusen machen soll.«
    »Und, als natürliche Folge, was man mit den Katzen des Landes machen soll.« Tante Lambert und Alice tauschten ein Lächeln aus.
    Mr Talbots Gesicht verfärbte sich rot. »Meine liebe Tante, möchtest du denn, dass wir sämtliche Anstrengungen, Verbesserungen zu erzielen, gut sein lassen? Und du, Alice, behauptest du etwa, deine Lebensumstände seien nicht besser als die deiner Vorfahren? Nein, das wollt ihr nicht. Die Hingabe des Menschen an Erfindung und Herstellung hat selbst das Schicksal des einfachen Arbeiters verwandelt. Nehmen wir die Bewohner der Slums. Fortschritte in der Erforschung von Krankheitsursachen und neue Methoden der Kanalisation haben ihre Lebensqualität verändert. Ganz zu schweigen von der Wirkung, die eine Mausefalle wie diese auf ihre verseuchten Häuser haben könnte.«
    »Aber bevor die Slumbewohner scharenweise in unseren Städten eintrafen, waren sie da nicht glücklicher und gesünder, als sie noch auf dem Land lebten?«, fragte Alice. »Ich gebe zu, die verbesserte Kanalisation führt dazu, dass sie nicht an Cholera erkranken, und das bedeutet, dass sie länger leben. Doch es ist ein längeres Leben unter erbärmlichen Umständen. Wem gereicht das zum Vorteil, Vater? Den Slumbewohnern? Ich bezweifle, ob sie fünf zusätzliche Jahre gefangen in Armut und Knechtschaft als Fortschritt bezeichnen würden, mit oder ohne diese Mausefalle, die sie ermahnt, wie viel Glück sie doch haben!«
    Mr Talbots Gesicht verfinsterte sich noch mehr. Er wandte sich an Mr Blake. »Sie liest Pamphlete, wissen Sie?«, murmelte er mit gedämpfter Stimme. »Ich habe keine Ahnung, woher sie sie bekommt.«
    Doch Mr Blake hörte nicht mehr zu. Er dachte an seinen verschwundenen Schrankkoffer. Wie leichtsinnig

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