Handbuch für anständige Mädchen
ausgesprochen liebenswürdig.«
Kurzzeitig herrschte Stille, während vierzehn Augenpaare auf dem Mann ruhten, der da vor ihnen stand. Obwohl es niemand erwähnte, waren sie alle erleichtert (allerdings auch ein wenig enttäuscht), dass Mr Hunter, anstatt einem Straßenräuber aus den tiefsten Winkeln des Basars zu ähneln, aussah, als sei er eben erst aus einem Gentlemensclub an der Kensington High Street getreten. Der Bart war durch zwei glänzende schwarze Koteletten ersetzt worden, das zinnoberrote Grinsen durch ein gleichmäßiges, makelloses Lächeln. Die mit Betelflecken übersäten Kleidungsstücke waren verschwunden, und stattdessen trug er einen modisch geschnittenen, wenngleich ein wenig dicht gewobenen wollenen Gehrock und ein anscheinend brandneues Paar kalbslederner Reithosen. Trotz des Umstands, dass Mr Rutherfords Thermometer draußen in der Kolonie beinahe neunzig Grad Fahrenheit anzeigte, wirkte Mr Hunter, abgesehen von einer gewissen Nervosität (die von der Last so vieler kritischer Blicke herrühren mochte) völlig ungerührt, was sein verändertes Aussehen betraf.
»Er ist so dunkel wie ein Eingeborener«, flüsterte Mrs Birchwoode Mrs Ravelston zu, »aber das wird an der Sonne auf seinen Reisen liegen. Im Grunde sieht er ganz respektabel aus. Eigentlich gut so. Es ginge niemals an, wenn sich einer von uns wie ein badmash anzöge, noch nicht einmal zu dem Zweck, inkognito zu reisen.« Sie beobachtete, wie sich Mr Hunter tief über die Hand der jungen Fanny beugte. »Er wirkt ganz reizend. Sehr groß und gut aussehend. Vielleicht hat sich Mr Vine geirrt.«
Mr Hunter verbeugte sich und schenkte den Damen ein anerkennendes Lächeln, das zwischen seinen glänzenden Koteletten aufblitzte. Die Männer nickten und gaben ihm die Hand, während sie ihm schroffe Willkommensworte zumurmelten. Man fand einen Sitzplatz für ihn auf einem kleinen Sofa zwischen Mrs Birchwoode und Mrs Toomey.
»Nun, Mr Hunter«, sagte Selwyn, »meine Gattin hat mir rein gar nichts von Ihnen erzählt, auch wenn ich höre, dass Sie einander schon früher begegnet sind. Im Haus ihres Vaters.« Er warf seiner Frau einen verschlagenen Blick zu. »Sie erwähnt den Ort so selten, dass man meinen möchte, sie habe ihn vollständig vergessen.«
»Wie könnte man das Haus des alten Talbot vergessen?«, sagte Mr Hunter. Seine Augen, dunkel unter schwarzen Brauen, funkelten. Er sah Lilian an und lächelte bei seinen Worten. »Die Sammlung nahm, wenn ich mich recht entsinne, jeden Zentimeter Raum ein, jedes Regal, jede Ecke und jede Wand des Hauses. Ja, selbst das Zimmer, das ich während meines Aufenthalts bewohnte, beherbergte verschiedene Stücke aus Mr Talbots Museum – eine geniale Erfindung namens ›Sturmvorhersager‹, um genau zu sein, und mindestens zwanzig ausgestopfte Tiere. In der Tat, Sir, jeden Morgen beim Erwachen starrte ich in die gläsernen Augen eines zwei Meter siebzig großen Grizzlybären. Ich habe immer meine Hemden an seine ausgestreckten Tatzen gehängt. Nicht viele Männer können von sich behaupten, einen Grizzlybären zum Kammerdiener gehabt zu haben.«
Die Damen kicherten, doch man wechselte Blicke. Wie eigenartig das alles klang. »Der Vater meiner Frau ist sehr gelehrt. Ein Freigeist«, erläuterte Selwyn hastig. »Seine Begeisterung für die Mannigfaltigkeit menschlicher Errungenschaften ist löblich.«
»In der Tat«, pflichtete Mr Hunter ihm bei. »Viele Stücke in seiner Sammlung gehören zu den erlesensten Beispielen künstlerischer und wissenschaftlicher Errungenschaften.« Wieder sah er Lilian an. »Seine botanische Sammlung ist besonders beeindruckend.«
»Mr Hunter ist selbst für einige der erleseneren Exemplare verantwortlich«, sagte Lilian. »Viele der Pflanzen sind Arten aus den entferntesten Winkeln der Erde, und es ist schwierig, sie zu erwerben, und beinahe unmöglich, sie zu züchten. Doch Mr Hunter ist kein Mann, der sich davon abschrecken lässt, dass etwas unzugänglich oder unerreichbar ist. Solch fadenscheinige Ausreden! Ja, je schwieriger ein Preis zu gewinnen ist, desto eifriger wird er versuchen, ihn zu erringen. Ist dem nicht so, Mr Hunter?«
»Eine lobenswerte Haltung«, sagte Mr Toomey. »Nichts unversucht lassen, was? Das ist die richtige Einstellung.«
»Genau.« Mr Hunter sah Lilian über den Rand seiner Teetasse an.
Lilian dachte tatsächlich an die Zeit zurück, als sie Mr Hunter zum ersten Mal begegnet war. Er hatte im Wintergarten mit ihren Tanten Tee
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