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Handbuch für anständige Mädchen

Handbuch für anständige Mädchen

Titel: Handbuch für anständige Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Di Rollo
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Birchwoode, würden Sie mir die Ehre erweisen?« Mr Hunter lächelte.
    »Diesen Tanz hat Fanny Captain Lewis versprochen«, sagte Mrs Birchwoode rasch.
    »Und Sie, Ma’am?«
    Mrs Birchwoode blähte die Wangen auf und fächerte sich energisch zu. »Du lieber Himmel, nein! Meine Füße würden da nicht mitmachen.«
    Mr Hunter tat, als bedauere er, dies zu hören, und wandte sich an die einzige andere Frau auf dem Sofa. »Mrs Fraser?« Er führte Lilian zu dem Teil des Raumes, der für das Tanzen vorgesehen war.
    »Ich bin Ihre dritte Wahl gewesen?«, sagte sie.
    »Welcher Tanz ist das hier?«, fragte Mr Hunter besorgt.
    »Der Galopp.«
    »Wie fangen wir an?«
    »Sie stellen sich so hin.« Lilian berichtigte seine Armhaltung. Die Musik setzte ein, und die Tänzer sprangen drauflos.
    »Ich hatte gehofft, mit Ihnen reden zu können«, sagte er.
    »Können Sie nicht gleichzeitig tanzen und reden?«
    »Nicht bei dieser Geschwindigkeit.« Er wirbelte sie herum, wobei er auf seine Füße hinabblickte, um sicherzugehen, dass er sie dort hinsetzte, wo sie hingehörten. Doch er erinnerte sich kaum an die Schrittfolge, und wieder und wieder sah er, wie Lilian stöhnend zusammenzuckte. Auf ihren Tanzschuhen befanden sich mittlerweile unverkennbar die Abdrücke seiner Stiefel.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so ein miserabler Tänzer sind«, sagte sie.
    »Tut mir leid«, murmelte er. Er errötete. Welch Tölpel er war. Dies war nicht der Eindruck, den er zu machen gehofft hatte.
    »Andererseits gibt es viele Dinge, die ich nicht über Sie weiß. Und natürlich vieles, was Sie nicht über mich wissen.«
    »In der Tat«, ächzte er und trat gegen ihr Schienbein. »Aber ich würde gern mehr wissen. Ich würde gern alles über Sie wissen.«
    »Dazu hatten Sie im Haus meines Vaters Gelegenheit.«
    »Ich war ein Narr, dass ich sie nicht beim Schopf gepackt habe.« Sein Stiefel schrammte erneut über ihre Zehen.
    Lilian sog scharf die Luft ein. Sie trat so fest wie möglich mit ihrem Absatz auf seinen Fuß. »Du meine Güte! Setzen Sie den rechten Fuß vor, dann den linken.«
    »Es tut mir leid.« Niedergeschlagen sah er sie an. Er machte sich zum Narren. Ständig sprang er nach rechts, wenn er eigentlich nach links springen sollte, er hüpfte, wenn er dahingleiten sollte, und stand still, wenn er hätte hüpfen können. Aber hassten Frauen es nicht allgemein, wenn Männer beim Tanzen hüpften? Er hatte vergessen, wie sehr er Bälle und Soirees verabscheute. Über Lilians Schulter erblickte er das lachende Gesicht des Friedensrichters, der ihn direkt anstarrte, und er fragte sich, wie vielen anderen sein mangelhaftes Können aufgefallen war.
    »Lily«, sagte er und packte sie fester, »ich muss mit Ihnen sprechen. Ich muss Sie sehen. Allein.«
    »Kommen Sie um Mitternacht auf den Basar«, sagte Lilian. »An die Stelle, wo ich Ihnen zum ersten Mal begegnet bin.«
    Er blinzelte. Wie rasch sie eingewilligt hatte. Ja, er hatte sie noch nicht einmal überreden müssen. »Werden Sie den Weg finden?«
    »Hätte ich ihn ansonsten vorgeschlagen?«
    »Ist das auch sicher für Sie?«
    Lilian schnaubte.
    Dann war der Tanz vorbei, und auf einmal befand sich Lilian nicht mehr in seinen Armen. Doch Mr Hunter drehte sich noch immer der Kopf, und in seiner Orientierungslosigkeit stürzte er sich auf das, was er für die Hand der entschwindenden Lilian hielt. »Warten Sie«, setzte er an und zog sie zu sich heran. Doch es stellte sich heraus, dass die Gliedmaße, die er umklammert hielt, Mrs Toomey gehörte.
    »Oh, Mr Hunter«, kicherte Mrs Toomey. »Schon wieder ein Tanz?« Den Mund schrecklich weit aufgesperrt, entblößte sie ihre ungepflegten Zähne und riss ihn zurück in das Gedränge.
     
    Lilian durchstreifte die engen Straßen der Eingeborenenstadt. Es war spät, doch Teile des Basars von Kushpur waren, wie bei jedem Basar, immer geöffnet, egal zu welcher Tag- oder Nachtstunde. Diese Orte verbargen sich inmitten eines Wirrwarrs aus engen Gässchen, in die sich nur selten Europäer wagten – Zufluchtsstätten für Taschendiebe und Ganoven, für Geldverleiher und Räuber und Mörder jeglicher Couleur. Beim Gehen spähte Lilian jetzt in die flüsternden Eingänge, die schwach erleuchteten Buden, die Schatten, die sich in Ecken sammelten, und allmählich befielen sie Zweifel, ob es tatsächlich so klug gewesen war, darauf zu bestehen, allein auf diesen mörderischen Straßen unterwegs zu sein. Sie beschleunigte ihre Schritte und hielt den Kopf

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