Handbuch für Detektive - Roman
das Wetter da draußen?»
Lamech ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. «Klarer blauer Himmel und eine milde Brise», log er. «Sonne, die einem warm ins Gesicht scheint. Haufen roter Blätter. Kinder rennen herum und lachen vergnügt. Lachen über die ganze verdammte Geschichte.»
Arthur zog die Stirn in Falten und kratzte sich mit einem langen Fingernagel über die Wange. «Was ist mit Ihrem Fall, Ed?»
«Sivart», begann Lamech.
«Hat die Flatter gemacht, stimmt’s?»
Der Wächter sprang auf. Er mahlte mit dem Kiefer, als wollte er jeden Moment ausspucken. «Na ja, Sie wissen es ja bereits. Sie wissen immer schon alles. Warum halten Sie sichüberhaupt mit diesen Besprechungen auf? Nächstes Mal schicke ich gleich einen Vogel. Ich hab zu tun.»
«Setzen Sie sich.»
Lamech fluchte leise vor sich hin, setzte sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust.
Arthur lächelte beschwichtigend. «Ich wollte es aus erster Hand erfahren. War er verärgert? War er wütend? Wie wütend war er genau? Erzählen Sie mal.»
«Wer auch immer meine Ausgabe des
Handbuchs
geklaut hat, hat kehrtgemacht und es ihm gegeben. Die unbereinigte Fassung.»
Ein Telefon klingelte. Arthur wühlte in den Papieren auf seinem Schreibtisch, während Lamech ihm ungläubig dabei zuschaute. Das Telefon sah genauso aus wie alle anderen Telefone, die Unwin in den Büroräumen der Agentur gesehen hatte, doch mit dem Klingelton war etwas anders. Er hallte, als käme das Geräusch vom anderen Ende eines Tunnels.
Arthur nahm den Hörer ab. «Ja … Was? Nein, hören Sie zu. Hören Sie mir zu … He. Hören Sie zu. Ist mir egal, auch wenn er die ganze nächste Woche denselben Kram isst. Bleiben Sie an ihm dran, er ist Ihr Mann. Prüfen Sie Ihre Frequenzen … Dann prüfen Sie sie noch einmal. Nächstes Mal mache ich das selbst.» Er legte auf.
«Komisch», sagte Lamech.
Arthur schmatzte mit den Lippen und sagte: «Diese Miss Palsgrave ist wirklich genial mit diesen Apparaten. Das ist unsere allerneueste Entwicklung. Hat sich herausgestellt, dass man das Aufnahmedingsbums in den Übertragungsdödel einstecken kann, der dann mit so einem Telefonbuchsenteil verbunden wird. Soll heißen, eine direkte Leitung zwischen dem träumenden Ich und einem ganzgewöhnlichen Münztelefon. Die Verbindung lässt allerdings noch ein bisschen zu wünschen übrig.»
Lamech schüttelte über all das den Kopf.
«Dieser Nikolai», fuhr Arthur fort und nickte in Richtung Telefon, «war heute im Stadtmuseum. Er glaubt, Edwin Moore gefunden zu haben. Und es sieht ganz so aus, als hätte unser Freund mit Sivart Kontakt aufgenommen, kurz bevor der sich von der Truppe abgesetzt hat.»
«Was? Glauben Sie, das hat was damit zu tun?»
«Hören Sie, Ed, ich brauche hier Hilfe. Wenn Hoffmann zu tief in Sivarts Ich vordringt, bringt uns das alle miteinander in Schwierigkeiten. Wir müssen ihn finden.»
«Hoffmann gelingt es, sich herauszuhalten. Selbst wenn wir ihn finden würden, könnten wir ihn nicht wecken. Sivart sitzt in der Falle.»
«Wer hat denn gesagt, dass man ihn wecken soll?», fragte Arthur.
Lamech rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Schließlich blickte er sich um, als hätte ihn etwas aufgeschreckt.
«Was ist denn los?», fragte Arthur.
«Dachte, ich hätte was gehört …»
«Konzentrieren Sie sich, Ed.»
Lamech grummelte. «Hoffmann führt was im Schilde, etwas Großes, so groß wie der zwölfte November. Aber es scheint, als wüssten Cassidy und Pith mehr als ich. Habe gehört, dass Sam direkt mit Ihnen zusammengearbeitet hat. Jetzt, da Sivart dort feststeckt, müssen wir seine Widersacher in Schach halten und sie im Unklaren lassen. Wir machen also etwas, was wir noch nie gemacht haben – und das bedeutet, einige Regeln zu brechen, Arthur. Wir befördern jemanden. Jemanden, der vollkommen außerstande ist, einenKriminalfall zu lösen. Damit gewinnen wir mehr Zeit, um Sivart zu finden. Je angestrengter sich die Agenten bemühen, unserem Kandidaten zu folgen, desto mehr werden sie in die Irre geleitet.»
Arthur schaute ihn an, als würde er Witze machen. Dann lief sein Gesicht rot an, und sein Körper schüttelte sich vor Lachen. Es war ein wütendes, schnaufendes Lachen. «Das gefällt mir», sagte Arthur. Eine Träne lief ihm über die Wange.
«Gut», sagte Lamech. «Ich hab Ihnen nämlich schon die Aktennotiz geschickt.»
Bei diesen Worten musste Arthur wieder loslachen, und auch Lamech lachte. Sie konnten sich kaum mehr
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