Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
berührten, wurde ihm bewusst, warum. Es war das Bürogebäude der Agentur.
    Unwin folgte Lamech gerade noch rechtzeitig durch die Türen zur Lobby, bevor sie sich hinter ihm schlossen, und klappte dann auf dem Weg zum Fahrstuhl seinen Schirm zusammen, so, wie er es schon viele Hundert Male in jener anderen, realen Eingangshalle getan hatte. Wenn Hoffmanns Gedanken durch ein Spiegelkabinett repräsentiert wurden, wessen Gedankenträume verbargen sich hier?
    Lamech ging an den Fahrstuhltüren vorbei und murmelte dabei vor sich hin. «Blöd, einfach blöd», hörte ihn Unwin sagen – offenbar zu sich selbst. Dann schüttelte Lamech den Kopf, als wollte er Klarheit in seine Gedanken bringen. Hinten in der Eingangshalle hielt er seine Armbanduhr schräg, damit er bei dem schummrigen Licht etwas erkennen konnte. «Nur herein, Ed, Sie kommen gerade richtig.» Die Stimme erkannte Unwin nicht; sie kam hinter einer Tür hervor, auf die in schwarzen Lettern AUFSICHT stand.
    Als Lamech hineinging, hörte Unwin ein Geräusch, das ihm sofort bekannt vorkam: das Rascheln von Papier und das Gurren von Tauben. Bei diesen Klängen erstarrte er einen Moment lang, versäumte es fast, einzutreten und musste sich unter Lamechs Arm hindurch ducken, als der Wächter die Tür schloss.
    Das Zimmer war klein und wirkte noch kleiner, weil es so vollgestopft war. Papierstapel reichten vom Boden bis zur Decke, mal war das Papier gebündelt, mal lose. Schränke fürHängedateien standen in Reihen und kreuz und quer und bildeten insgesamt eine Art Labyrinth. Eine kräftige Brise zog durch den Raum, erfasste die Stapel und Blätter flatterten von einem Haufen zum nächsten oder segelten auf den Boden herab. Einige der Schubladen standen offen, und in den meisten nisteten Tauben, die es sich auf Zweigen, Papierschnipseln und Unrat gemütlich gemacht hatten. Die Vögel schienen Lamech zu kennen und gurrten verächtlich, wenn er mit seinem Mantel ihre Schubladen streifte.
    «Machen Sie hier eigentlich nie sauber?», fragte Lamech. Er ging um eine Hängedatei herum und blieb stehen, die Hände in den Hosentaschen. «Arthur, hier stand doch mal ein Stuhl.»
    Der Putzmann saß an einem kleinen Schreibtisch, der der gleichen Unordnung zum Opfer gefallen war wie der übrige Raum. Hinter ihm über dem breiten Waschbecken, aus dem das wuschelige Ende eines Wischmopps ragte, hing seine Quetschkommode an der Wand. Daneben hing eine Pistole im Halfter. Offenbar handelte es sich um ein genaues Abbild des echten Büros des Putzmannes, obwohl es wahrscheinlich im Original mit nicht gar so vielen Schubladen bestückt war. Und hoffentlich besaß der Putzmann in Wirklichkeit nicht so viele Tauben – und auch keine Waffe.
    Arthur blickte von der Akte auf, in deren Studium er gerade vertieft gewesen war, starrte Lamech einen Moment lang an und nahm dann seine Brille ab. Unwin sah zum ersten Mal die Augen des Mannes. Sie waren blass und aufmerksam. «Emily», sagte er. «Bitte sorgen Sie dafür, dass unser Gast sich setzen kann, bitte.»
    Unwin musste schwer an sich halten, um den Namen nicht laut auszusprechen, so verblüfft war er, als Emily Doppel in einem gelben Frisiermantel und blauen Pantoffelnhinter einem Papierstapel im rückwärtigen Teil des Raumes hervortrat. Sie steckte sich ihren Bleistift ins Haar und umrundete den Schreibtisch des Putzmannes. Mit einem kräftigen Wedeln verscheuchte sie die Tauben, die auf einem der Stühle nisteten, räumte dann einen Papierstapel weg und legte ihn auf einen anderen Stapel.
    «Sehr durchdacht», sagte Lamech und beobachtete sie.
    «Sie ist real», meinte Arthur. «Ich lasse sie herkommen, um ein bisschen für Ordnung zu sorgen, aber meistens löst sie Kreuzworträtsel. Das ist wirklich Hingabe, selbst im Schlaf Kreuzworträtsel zu lösen.»
    Emily schniefte bei seinen letzten Worten.
    «Ich hoffe, er bezahlt Ihnen genug», sagte Lamech zu ihr.
    «Er bezahlt mich nicht», sagte Emily. «Ich habe ein Leiden. Ich schlafe ein, wenn ich eigentlich wach sein sollte, und das nutzt er aus, indem er mich hierherbringt. Nachts auch. Ich wollte immer schon eine Agentin der Agentur werden, aber so habe ich mir das nicht vorgestellt.»
    «Sagen Sie ihm doch, dass Sie lieber tagsüber arbeiten wollen», sagte Lamech.
    «Geben Sie mir die Tagschicht», sagte sie zu Arthur.
    «Was, und dann nicken Sie während der Arbeit ein? Schätzchen, Sie wissen doch, dass das so nicht funktioniert.»
    «Dann kündige ich», sagte sie. Die beiden

Weitere Kostenlose Bücher