Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
fallen. Der Knall war so laut, dass sowohl Unwin als auch Arthur davon aufwachten.
    Unwin setzte sich auf und betastete seine Brust – keine Wunde, nur nasse Blätter. Er wischte sie weg und schaute auf seine Uhr: Es war kurz nach sechs. Drüben im
Ratzekatz
hatte der Wecker, den er dort zurückgelassen hatte, Enoch Hoffmann geweckt.
    Und er hatte auch Sivart geweckt. Der Detektiv stand neben dem Bett, den Hut tief in die Stirn gezogen, seine Pistole auf den Aufseher gerichtet. Arthur blickte auf sein Akkordeon hinab. Er hielt es am Bassriemen, die Bälge waren nicht fixiert, sondern hingen lose herunter und berührten mit dem einen Ende fast den Boden.
    Dazu kenne ich keine Lieder», sagte Arthur.
    Sivart rieb sich den Nacken. «Mir tut alles weh. Charlie, hätten Sie mir nicht wenigstens ein Kissen geben können?»
    Miss Greenwood trat auf die Lichtung, ihr Hinken war stärker geworden. Einen Moment später stand sie neben Sivart. Ihre Erschöpfung hatte sich in etwas anderes verwandelt, etwas Hartes, Brüchiges. In ihren verschatteten Augen brannte eine seltsame Art von Feuer, als sie Arthur erblickte.
    Unwin beugte sich über die Bettkante und fing an, seine Schuhe anzuziehen.
    «Idioten», sagte Arthur. «Ihr wisst doch, was dieser Wahnsinnige meiner Stadt antut. Eurer Stadt. Ihr braucht mich.»
    «Wie einen Kropf», brummte Sivart.
    «Mr. Unwin, Sie haben das dritte Archiv gesehen. Was die Agentur immer gebraucht hat, war eine grundsolide Dokumentation, nicht nur unseres Wirkens, sondern auch der Anstrengungen der Stadt. Ihrer Geheimnisse, ihrer Gedanken, ihrer Träume – der guten wie schlechten. Sie liegen dort unten in unserem Keller, der ganze Kladderadatsch. Nur wegen Hoffmann ist dieser ganze Aufwand überhaupt nötig. Er wird die Welt aus dem Gleichgewicht bringen, wenn wir kein Auge darauf haben.»
    Einen Moment lang war Unwin fast bereit, sich überzeugen zu lassen. Es wäre sicherer für alle, dachte er, diese Aufzeichnungen zu behalten, mehr davon anzulegen, alles zu dokumentieren, was sie sehen konnten, und für immer die Lösung all jener Geheimnisse und Fälle zu besitzen, deren Hüter, Wahrer und Schlüssel jeder einzelne Mensch war.
    Doch wenn alles durchschaubar ist, dann ist auch nichts mehr sicher, und die Wachposten sind unwillkommeneGäste: bloße Eindringlinge. Kein Gegengift für den Feind, nur sein Gegenbild.
    «Für Hoffmann ist gesorgt», sagte Unwin. «Screed wird ihn mittlerweile geschnappt haben.»
    Sivart sah wütend aus, als er das hörte. Er kam zu Unwin herüber und sagte: «Ben Screed? Dieser Hanswurst? Das ist nicht sein Fall, Charlie, und er war es auch nie. Das hätten Sie nicht tun sollen.»
    Arthur schien sie gar nicht mehr zu beachten und blickte Miss Greenwood aufmerksam an. Er rückte das Akkordeon zurecht und hielt es mit beiden Händen. «Wie ging das hier noch gleich, Liebes?», fragte er und ließ die Finger über die Tastatur gleiten. «Was wir gespielt haben, wenn es beinahe Zeit war zu gehen?»
    Sie zog eine Waffe aus der Tasche ihres roten Regenmantels. Es war die antike Pistole, die sie aus Hoffmanns Trophäenzimmer entwendet hatte. «Beinahe Zeit zu gehen», sagte sie.
    Arthur füllte die Bälge mit Luft und spielte ein paar Akkorde. «Wartet, wartet», sagte er. «Ich hab’s doch gleich.»
    Als auf dem Waldweg Schritte zu hören waren, drehten er und die anderen sich um. Etwas schimmerte im Schatten der Bäume – eine Brille, und zwar die von Emily Doppel. Sie musste dem schlafwandelnden Aufseher gefolgt sein, hatte im Zug vielleicht sogar neben ihm gesessen. Sie hielt Unwins Pistole in der einen Hand und ihre Brotzeitdose in der anderen.
    Sie musterte lange jeden Einzelnen auf der Lichtung. Unwin fragte sich, ob sie dieses Szenario auch mit jenen Figürchen aus ihrer Box kreieren hätte können. Ermittler, Verdächtiger, Informant, Verbrecher: Es gab ja so viele Möglichkeiten, sie anzuordnen.
    Unwin stand auf und ging zu ihr. «Wir haben es geschafft, Emily. Wir haben Sivart gefunden.»
    «Wirklich?», fragte sie mit tonloser Stimme. «Und was nun?»
    «Nun – na ja, ich hab darüber nachgedacht. Ich finde, wir sollten weiter zusammenarbeiten. Ich weiß nicht, wie die Regeln in so einem Fall genau lauten, aber was sollte uns davon abhalten, mehr Kriminalfälle zusammen zu lösen? Ich glaube, ich könnte mich dran gewöhnen. Und ich glaube, ohne Sie kann ich das nicht.»
    Sie begegnete seinem Blick, doch nur für einen kurzen Augenblick. «Wissen Sie,

Weitere Kostenlose Bücher