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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ging. An der Straßenecke hatte er einen Moment lang das Gefühl, beobachtet zu werden. Hatte er dort jemanden in der Tür der Bäckerei stehen sehen? Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was für Ratschläge das
Handbuch für Detektive
bereithielt, wenn man den Verdacht hegte, beschattet zu werden. Irgendwie, dachte er, hatte es geheißen, man solle freundlich zu seinem Schatten sein. Nun, darauf konnte es jetzt kaum ankommen – er ging nur ein paar Blocks.
    Am Bahnhof stand keine Schlange vor dem Frühstückswagen, doch er brauchte auch keine Tasse Kaffee. Wenn ihn jemand fragte, was er am Central Terminal machte, würde er einfach die Wahrheit sagen – dass er den ersten Zug aus der Stadt nehmen wolle, bis zur Endstation.
    Der alte Fahrplan steckte noch immer in seiner Tasche. Vor dem großen Zeitmesser mit den vier Zifferblättern über dem Informationsschalter machte er einen Uhrenvergleich. Sein Zug würde in nur wenigen Minuten einfahren.
    Er träumte, noch immer die Fahrkarte zu besitzen, die er an dem Morgen gekauft hatte, als er die Frau mit dem karierten Mantel zum ersten Mal gesehen hatte, und dann träumte er, ganz vorne im Zug zu sitzen. Als der Schaffner sein Ticket entwertete, drehte sich Unwin auf seinem Platz um und kämpfte gegen das Gefühl an, beobachtet zu werden. Er war einer von nur wenigen Fahrgästen im Waggon, und alle anderen um ihn herum lasen entweder Zeitung oder gönnten sich ein Nickerchen.
    Der Zug setzte sich in Bewegung. Unwin lehnte sich inseinen Sitz zurück, als er aus dem Tunnel in den langsam heller werdenden Morgen hinausfuhr. Zu beiden Seiten der Gleise erhob sich die Stadt und die Bebauung dünnte sich allmählich aus. Sie fuhren unter einer Brücke hindurch und folgten dem Fluss in Richtung Norden. Im Tal hatten sich die Blätter an den Bäumen rot und gelb verfärbt. Von den leuchtenden Farben, die sich auf der Wasseroberfläche spiegelten, wurde ihm schwindlig. Er schloss die Augen und döste ein wenig.
    Er fuhr mit dem Zug so weit aufs Land hinaus, wie es möglich war. Der Bahnhof an der Endstation war klein, aus rotem Backstein und hatte eine grün lackierte Tür. Als er all das sah, fiel ihm das Spiel wieder ein, das er damals mit den anderen Kindern gespielt hatte.
    Verstecken; so hatte es geheißen. Und sie hatten es am Geburtstag eines der Kinder gespielt.
    Er nahm die einzige Straße des kleinen Ortes nach Norden. Eine Katze schlich sich zwischen den Pfählen eines Lattenzauns hindurch und folgte ihm unauffällig. Hinter dem allerletzten Briefkasten stieß er auf den Trampelpfad, der in den Wald führte. Im Schatten war es kühl, und er knöpfte sich die Jacke zu. Der Boden war weich, aber nicht zu feucht.
    Wieder hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden, er drehte sich um und rechnete damit, irgendwo im Schatten ein Augenpaar zu entdecken. Doch es war niemand da, nur ein kleines Tierchen, das flink in die Farne davonhuschte. Zwei Tage als Detektiv hatten genügt, um ihn jederzeit misstrauisch zu machen.
    Unwin kam zum Teich und zu der baumelnden Reifenschaukel. Er folgte dem elektrischen Kabel in den Wald hinein bis zu der Lichtung, auf die Sivart das schmale Messingbettgeschleppt hatte. Die Lampe war eingeschaltet, und einige Blätter waren auf die Schreibmaschine gefallen. Sivart lag unter der Decke, den Hut tief über die Augen gezogen.
    Unwin stand am Fuße des Bettes und rüttelte daran. Sivart rührte sich nicht, keinen Millimeter. Drüben im
Ratzekatz
schlief der Magier noch immer und hielt den Detektiv weiterhin gefangen. Unwin schaute auf die Uhr. Er hatte nur noch wenige Minuten, bis der Wecker läuten würde.
    «Zur Seite, Mr. Unwin.»
    Arthur, immer noch in seinem grauen Putzmann-Overall, erschien am Ende des Waldweges. Er hatte eine Pistole in der Hand. «Ich wusste, dass ich mich irgendwann selbst darum kümmern müsste.»
    Unwin trat beiseite. «Sie wussten, dass ich hierherkommen würde.»
    «Ich wusste nicht genau, wo ‹hier› war, doch ich wusste, Ihnen würde gar nichts anderes mehr übrig bleiben. Und ich begriff, was Lamech im Schilde führte, als er Sie beförderte. Wenn jemand wusste, wohin Sivart gegangen war, dann Sie.»
    Der Aufseher trat ans Fußende des Bettes. Eine Brise brachte Leben in die Blätter auf der Decke und ließ noch weitere von den Bäumen heruntersegeln. Unwin hörte nur das Knarzen der Schaukel über dem Teich.
    Arthur sagte: «Ich habe, als ich sie gestern Morgen im Achterzug gesehen habe, versucht, Ihnen

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