Handbuch für Detektive - Roman
baumelte von einem Baum am Ufer. Jeder, der sich mit Schwung abstieß, hätte bis weit auf den Tümpel hinaus schaukeln können. Und man konnte loslassen, wenn einem der Sinn danach stand, konnte sich einfach fallen lassen.
Hinter der Schaukel führte ein kleiner Hang, der mit Brombeersträuchern bewachsen war, zu dem Häuschen hoch, in dem Miss Greenwood und ihre Tochter sieben Jahre ihres Exils verbracht hatten. Ein mit Gummi ummanteltes Elektrokabel wand sich wie eine Schlange aus einem der Fenster. Sie folgten dem Kabel weg vom Teich ostwärts in den Wald hinein. Unwin erinnerte sich an seinen Traum von den Fußspuren im Schlamm, an sein Treffen mit dem Jungen, der sich dann als Enoch Hoffmann entpuppt hatte, und erschauderte.
Die Lichtung war genau so, wie Sivart sie beschrieben hatte. Doch in der Mitte lag kein Blätterhaufen, sondern dort stand ein Messingbett, und auf einem Tischchen daneben eine Lampe mit grünem Schirm und eine Schreibmaschine. Die Lampe war eingeschaltet, und die Birne glühte gelb. Sivart lag schlafend unter einer gelben Baumwolldecke, auf der sich eine zweite Decke aus Blättern ausgebreitet hatte. Er schnarchte, den Hut bis tief über die Augen gezogen, und sein Gesicht war voller Bartstoppeln.
Ein Dutzend aufgespannte Schirme hing in dem Baum über dem Bett und bildete eine Art Baldachin. Er musste auf eine Leiter gestiegen sein, um sie so aufhängen zu können.
«Ich habe ihm gesagt, er könne sich hierher zurückziehen, ich wollte aber nicht, dass er in meinem Zimmer schläft», sagte Miss Greenwood. «Damit meinte ich, er solle die Couch nehmen, oder hinten das Gästezimmer. Stattdessen schleppt er mein Bett einfach nach hier draußen.»
Unwin erinnerte sich daran, was Sivart über diesen Ort geschrieben hatte:
Ein wundervoller Platz, um ein Nickerchen zu machen.
Er nahm Sivart den Hut ab und betrachtete die Augenlider des Mannes. Sie waren lila verfärbt, als hätte er ein Veilchen. «Wachen Sie auf», sagte er ruhig. «Aufwachen.»
Miss Greenwood hatte bereits die Fußgelenke des Detektivs gepackt. «Sie nehmen ihn an den Handgelenken», sagte sie.
Sie hoben Sivart vom Bett und trugen ihn quer über die Lichtung, wo sie ihn an den Stamm einer alten Eiche lehnten. Unwin setzte dem Detektiv seinen Hut wieder auf und kehrte dann zu dem Bett zurück, dessen Laken von Sivarts Körper noch immer warm waren. Er legte sich auf das Kissen und schloss die Augen, lauschte dem Rieseln des Regens auf die Schirme über ihm.
«Noch viereinhalb Stunden», sagte Miss Greenwood. «Behalten Sie die Zeit im Auge?»
«Es macht mir eher Sorgen, dass ich nicht einschlafe», sagte er. «Eigentlich müsste ich müde sein, aber ich bin es nicht.»
Miss Greenwood beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte etwas in Unwins Ohr. Die Worte passten wie der Schlüssel in ein Schloss, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass es existierte, und er schlief so schnell ein, dass er die Worte bereits vergessen hatte, als er zu träumen begann.
Zu den vielen Gefahren, die mit dieser Technik verbunden sind – wenn man sie als solche bezeichnen will –, gehört auch die Möglichkeit, dass derjenige, der sie praktiziert, sich beim Erwachen fragt, ob all das, was er gesehen hat, real war oder nur eine Ausgeburt seiner Phantasie. Selbst der Verfasser dieses Handbuchs kann nicht mit Sicherheit behaupten, dass die Techniken, die auf diesen Seiten beschrieben werden, tatsächlich existieren.
In seinem Traum erwachte Unwin in seinem eigenen Bett, stand auf und zog seinen Bademantel an. Er erträumte sich eine schöne heiße Dusche (für ein Bad war keine Zeit), und weil er ein gewissenhafter Träumer war, achtete er besonders darauf, sich an diesem Morgen die richtige Krawatte umzubinden und den Herd abzuschalten, bevor seine Hafergrütze anbrannte. Er wollte nicht zu spät kommen. Er trug seine Schuhe an die Tür und zog sie erst auf dem Flur an, so, wie er das immer tat. Fast hätte er seinen Schirm mitgenommen, doch dann fiel ihm ein, dass er geträumt hatte, die Sonne sei herausgekommen und die Wolken seien verschwunden.
Draußen brannten noch die Straßenlaternen, und die einzigen Fahrzeuge, die unterwegs waren, waren die Lieferwagen,die Milch und Wasser ausfuhren. Der Bäcker auf der anderen Straßenseite hatte bereits geöffnet, und er konnte in der kühlen Luft das frisch gebackene Brot riechen.
Alles war genau so, wie es sein sollte, doch sein Fahrrad stand noch am
Ratzekatz
, weshalb er zu Fuß
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