Handbuch für Detektive - Roman
Detektiv Unwin, ich habe mich drei Mal bei der Agentur beworben. Beim ersten Mal war ich zwölf. Ich wollte Botin werden, schlief aber mitten im Bewerbungsgespräch ein. Ein Jahr später habe ich es wieder probiert, aber man hat sich an mich erinnert und mich nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch gebeten. Das letzte Mal war vor einem Jahr. Ich dachte, vielleicht könnte ich mich für eine Stelle bei einem Schreiber bewerben. Doch in der letzten Minute habe ich es mir anders überlegt und ihnen gesagt, ich wolle Detektivin werden, ein geringerer Posten komme gar nicht infrage. Man erinnerte sich immer noch an mich. Und irgendwie wusste man auch, was ich in meiner Brotzeitdose hatte. ‹Kleines Mädchen›, hieß es, ‹warum gehst du nicht einfach nach Hause und spielst mit deinen Figürchen?›
Ich war so wütend, dass ich fast zum Wanderzirkus gegangen wäre und gefragt hätte, ob die Übriggebliebenen mich gebrauchen könnten. Doch bevor das passieren konnte, besuchte mich Arthur im Schlaf.» Jetzt blickte sie den Aufseher an. «Er gab mir eine Chance, die niemand sonst mir gegeben hätte. Er sagte: ‹Kommen Sie und werdenSie meine Assistentin. Ich bringe Ihnen alles bei.› Ich hielt es zunächst für eine Täuschung, für etwas, das ich mir vielleicht nur ausgedacht hatte, damit es mir besser ging. Doch das war es nicht. Jedes Mal, wenn ich wieder wegdämmerte, war ich erneut in seinem Büro. Und die Fälle, von denen ich dort hörte, tauchten ein paar Tage später in der Zeitung auf. Es war Wirklichkeit. Und der Chef der Agentur brachte mir alles bei.»
Emilys Blick ruhte auf Cleo. «Miss Greenwood», sagte sie, «Sie müssen jetzt diese Waffe fallen lassen.»
Arthur schnaufte, bis sein Schnaufen sich in Gelächter verwandelte. «Braves Mädchen!», sagte er und entlockte seiner Quetschkommode noch einen winzigen Ton. «Ich wusste, dass ich auf Sie zählen konnte!»
«Gute Frau», sagte Sivart zu Emily. «Legen Sie die Waffe weg.»
Emily richtete die Pistole auf Miss Greenwood, während Sivart auf Emily zielte. Gab es im
Handbuch
eine Bezeichnung für das, was da gerade geschah? Diese drei hätten bis in alle Ewigkeit dort stehen können, niemand machte einen Schritt, weil es zu nichts geführt hätte. Miss Greenwood schüttelte den Kopf – sie schien kaum wahrzunehmen, was um sie herum vorging. Sie kannte die Waffe, kannte den Mann, auf den sie zielte. Das war vielleicht alles.
Der Aufseher schnaufte immer noch. Er sah Emily an und sagte: «Worauf warten Sie noch?»
Sie beachtete ihn nicht und sagte zu Unwin: «Ich habe Arthur davon überzeugt, mich Ihnen nach Ihrer Beförderung zuzuteilen. Der Plan war, Sie im Auge zu behalten. Dafür zu sorgen, dass Sie bei der Sache bleiben. Dafür zu sorgen, dass Sie Sivart für uns finden.»
Unwin wurde kalt, als er sich an einen der ersten Aufträgeerinnerte, den er seiner Assistentin gegeben hatte – den Putzmann der Agentur zu kontaktieren und ihn zu bitten, die verschüttete Farbe auf dem Flur wegzuwischen. Doch sie hatten wohl über mehr geredet als bloß verschüttete Farbe – und das jedes Mal, wenn sie einschlief.
«Dann haben Sie Ihre Arbeit ja gut gemacht», sagte Unwin.
«Nicht gut genug», sagte sie. Sie schüttelte ihre Brotzeitdose, während sie sprach und brachte die Zinnfiguren darin zum Klappern. «Es sollte eigentlich nicht so ausgehen …»
Arthur hatte aufgehört zu lachen. «Das stimmt, Emily», sagte er. «Es gibt Protokolle.»
Emily schien ihn nicht zu hören. «Ich habe Lamechs Ausgabe des
Handbuchs für Detektive
gestohlen», sagte sie.
Das Akkordeon in Arthurs Händen sank zusammen und gab einen misstönenden Klang von sich. «Emily», sagte er leise.
«Zuerst wollte ich es nur für mich selbst», sagte sie. «Doch als ich das ganze Ding erst einmal gelesen hatte, begriff ich, was ich tun konnte, wozu es … einen Menschen bringen kann. Und so habe ich es in Sivarts Büro liegen lassen, wo er es gewiss finden würde. Ich konnte das Warten nicht mehr ertragen. Ich wollte, dass jemand einen Schritt nach vorn machte, etwas unternahm. Ich wollte Hoffmann zurück, und die Agentur sollte in der Lage sein, ihn zu bekämpfen.»
Unwin entfernte sich einen Schritt von ihr und schloss die Augen, während er darüber nachdachte, wo er den Fehler begangen hatte. Penelope Greenwood war gar nicht die Diebin der unbereinigten Fassung des
Handbuchs für Detektive
, obwohl sie, indem sie den Goldzahn des ältesten Mordopfers der Welt
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