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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zu ihm in einem Traum, aus dem er einfach nicht erwachen wollte.
Versuch es jetzt mal, ja? Erinnere dich an etwas.
    «Kapitel Stoßzahn», sagte Unwin.
    «Was war das?», fragte Moore. «Was haben Sie gesagt?»
    «Kapitel achtzehn!», korrigierte sich Unwin. Er holte das
Handbuch für Detektive
aus seiner Aktentasche und blätterte darin auf der Suche nach Kapitel achtzehn, dem Kapitel, an das sich zu erinnern ihn Sivart im Traum aufgefordert hatte.
    Moore zitterte am ganzen Körper, und das schneeweiße Haar auf seinem Kopf bebte mit jedem Schnaufer, den er tat. Er starrte das Buch in Unwins Händen an. «Das
Handbuch für Detektive
hat kein Kapitel achtzehn», sagte er.
    Einige der Schulkinder achteten mittlerweile nicht mehr auf die Ausstellung. Sie umringten die beiden Männer, die vermutlich das Sonderbarste waren, was sie in dem Museum erblickt hatten.
    Unwin blätterte in dem Buch. Es endete mit Kapitel siebzehn.
    «Woher wussten Sie das?», fragte er.
    Moore beugte sich vor. Sein Gesicht war verzerrt, die Augen waren vor Schreck geweitet. «Weil ich es geschrieben habe!», schrie er und brach zusammen.

Folgen Sie ihnen, damit sie nicht Ihnen folgen.
     
    Ich habe gerade genug, um weiterzumachen
, hatte Sivart in seinem ersten Bericht über den Diebstahl des ältesten Mordopfers der Welt geschrieben.
Und genau das macht mich nervös.
    Am Abend des Raubes hatte eine Putzfrau des Museums den alten knallroten Dampflaster mit Ladefläche entdeckt, der hinter dem Flügel «Wunder der Alten Welt» unter den Bäumen verborgen stand. In den siebenunddreißig Jahren, in denen sie angestellt war, erzählte sie Sivart während ihres Verhörs, habe sie schon viele sonderbare Dinge gesehen. Sie hatte gesehen, wie die Blicke gewisser Herzöge und Generäle auf manchen Porträts ihr folgten, während sie den Boden wischte, hatte gesehen, wie die Marmorstatue einer Nymphe ihr schlankes rechtes Bein im Mondlicht zwei Zoll weit bewegte, hatte einen zwölfjährigen Jungen gesehen, der sich auf dem Sofa eines Boudoirs aus dem achtzehnten Jahrhundert verschlafen aufrichtete und sie fragte, warum es so dunkel sei, wo seine Eltern wären und ob sie vielleicht ein Sandwich für ihn habe. Doch niemals hatte die Putzfrau etwas so Seltsames wie diesen Dampflaster gesehen, der den Schornstein einer Lok und die geduckte, lauernde Haltung eines Ungeheuers aus einem Gruselmärchen besaß.
    Etwas Derartiges fällt auf, und es war nicht allzu schwer, es aufzuspüren. Caligaris Wanderzirkus, der längst nicht mehr wanderte, hatte für die Nacht geschlossen: nichts auf dem Rummelplatz außer dem Geruch nach altem Popcorn. Ich entdeckte den Dampflaster neben einem Pavillon in der Nähe des Gehwegs und drückte meinen Daumen an den Schornstein über der Lok. Immer noch warm.
    Ich überlegte, ob ich einen Blick hineinwerfen sollte, doch in dem Moment kam jemand vom Hafen her, und ich musste verduften. Die Zeltklappe am Eingang war offen, weshalb ich mich flink hineinwickelte und hoffte, niemand würde meinen Hut entdecken. Schließlich konnte ich aber trotzdem nicht umhin, einen Blick zu riskieren.
    Ich erblickte einen großen Mann mit einer sehr seltsamen Visage. Die Haut wirkte wie Ton, ganz pockennarbig und bleich, aber seine Augen waren leuchtend grün. Er spähte in das Führerhaus der Lok, sein Atem beschlug das Fenster. Dann seufzte er und ging weiter.
    Rasch rannte ich hinaus, weil ich abhauen wollte, und lief einem zweiten Mann beinahe in die Arme. Und das Komische daran, Schreiber? Es war derselbe Typ, den ich eben noch in die entgegengesetzte Richtung hatte gehen sehen. Offenbar gibt es diese Art von Ganoven immer im Doppelpack.
    Er rief nach seinem Bruder, und dann hatten sie mich schon am Wickel und verpassten mir eine ordentliche Tracht Prügel. Unser gemeinsamer Gang zum Pier war nicht gerade romantisch. Ein rostiges Schmugglerschiff namens
Wonderly
lag dort vor Anker. Der Pott stank fürchterlich, als hätte man ihn gerade erst vom dreckigen Grund des Hafens hochgeholt.
    Der Mann, der das Sagen hatte, war ein gedrungener kleiner Kerl in einem zerknitterten grauen Anzug. Auf den Zirkusplakaten sieht der
Mann mit den tausendundein Stimmen
gewöhnlich eindrucksvoller aus, wenn sein Gesicht durch irgendeinen Hokuspokus grün angeleuchtet wird. In natura wirkt er eher wie ein Buchhalter, der einen schlechten Tag gehabt hat und im falschen Viertelgelandet ist. Er schüttelte den Kopf, wirkte wegen der ganzen Sache geknickt. Ich war

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