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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ebenfalls geknickt und sagte ihm das auch entsprechend wortreich.
    Eine Weile redeten wir. Seine richtige Stimme (wenn sie es denn war) klang weich und kieksig, wie die eines Kindes. Er erklärte mir, dass das älteste Mordopfer der Welt viele Jahre die Hauptattraktion des Zirkus gewesen sei und dass sie lange nach der Mumie gesucht hätten. «Ich bringe ihn bloß wieder heim», sagte er.
    «Warum dann das Schiff?», fragte ich.
    Enoch Hoffmann grinste. «Das Schiff ist für Sie», sagte er, und das war der Moment, in dem die beiden Kerle mich in den Frachtraum warfen.
    Die Geschichte von der Flucht des Detektivs – wie er an Bord die Leiche gefunden hatte, sich ein Rettungsboot ergattert und damit an Land gerudert war – stand am nächsten Morgen in allen Zeitungen. Vertreter der Agentur hatten das älteste Mordopfer der Welt am selben Tag ins Museum gebracht, umgeben von Journalisten, die ihre Fragen brüllten, und einem Blitzlichtgewitter.
    Doch wenn die Mumie sich jetzt nicht mehr im Museum befand, wo war sie dann? Und wessen Leiche lag stattdessen dort?
     
    Mit der Hilfe einiger Schulkinder schleppte Unwin Moore in ein Hinterzimmer. In dem Raum wurden Ausstellungsstücke zwischengelagert, die auf dem Weg ins Museum oder wieder hinaus waren. Objekte, die draußen in den Sälen bedeutsam wirkten, fristeten hier das traurige Dasein von übrig gebliebenem Trödel. Gemälde lehnten gestapelt an der Wand, in den Ecken sammelten Sarkophage Staub an, Marmorstatuen lagen unter Verpackungsmaterial halb begraben. Die Kinder betteten Edwin Moore auf ein zerschlissenesblaues Sofa, und dort lag er, bebend und vor sich hin murmelnd, die Arme über dem Gesicht.
    «Ist das ein Ritter?», fragte eins der Kinder.
    «Das ist ein Künstler», sagte ein anderes.
    «Nein, das ist eine Mumie», behauptete ein drittes.
    Unwin führte die kleine Schar wieder ins Museum zurück und stellte sie in Reih und Glied hinter ihrem Aufpasser auf, der ihr Fehlen gar nicht bemerkt hatte. Zum Abschied winkten die Kinder, und Unwin winkte zurück. Als sie weg waren, ging er den Korridor entlang und spähte um die Ecke. Der Mann mit dem blonden Spitzbart war nicht zu sehen.
    Von seinem Krankenlager aus bat Moore um Wasser. Unwin suchte in den Kisten und fand schließlich eine Schale aus dunklem Ton mit einem schwarzen Zickzackmuster am Rand. Vermutlich war sie uralt, unschätzbar wertvoll und als Trinkgefäß kaum geeignet, doch sie würde ihren Zweck erfüllen. Am Spender auf dem Flur zapfte er Wasser und trug sie vorsichtig mit beiden Händen zum Sofa.
    Moore nippte an der Schale, wobei er etwas von dem Wasser auf seine Jacke schüttete. Dann legte er sich wieder hin und seufzte, begann aber gleich darauf wieder zu zittern. «Es lässt sich einfach nicht mehr länger verheimlichen», sagte er. «Ich hatte es alles so fest verschnürt, dass es sich gleich auf einmal geöffnet hat.»
    «Sie haben sich also mit Sivart getroffen», sagte Unwin.
    «Ja, o ja.» Moore nahm die Arme vom Gesicht. Es war so weiß wie sein Haar. «Aber ich hätte nie mit ihm reden sollen. Als er ging, war er ganz aufgewühlt. Ich dachte, er würde seine Zigarre zerkauen. Und Sie? Wer sind Sie?»
    Unwin zog kurz in Erwägung, dem Mann seine Dienstmarke zu zeigen, überlegte es sich dann aber anders. «Ichbin Charles Unwin, Schreiber der Agentur. Mein Detektiv ist verschwunden, und ich versuche ihn zu finden. Mr. Moore, Sie müssen mir sagen, wohin er gegangen ist.»
    «Muss ich? Ich habe mich schon an so vieles erinnert, und jetzt kommen sie mich bestimmt holen.» Er deutete auf die Wasserschale, und Unwin hob sie an seine Lippen. Moore trank, hustete ein wenig und sagte: «Nicht einmal die Agentur wünscht, dass alle Fälle gelöst werden.»
    Unwin stellte die Schale beiseite. «Ich versuche nicht, irgendetwas zu lösen.»
    Jetzt wirkte Moores Blick wieder konzentriert, und sein Gesicht bekam etwas Farbe. Er schaute Unwin an, als sehe er ihn zum allerersten Mal. «Wenn Sie Sivarts Schreiber sind, dann sollten Sie wissen, wo er hingegangen ist. Der Anblick des Goldzahns hat ihn verblüfft. Er brauchte Informationen, die verlässlichsten, die er finden konnte.» Leise fügte er hinzu: «Koste es, was es wolle.»
    Einige der Orte, die in Sivarts Berichten erwähnt wurden, waren für Unwin eine Art Terra incognita – er stieß so oft auf ihre Namen, dass er von ihrer Existenz überzeugt war, doch es war anmaßend zu denken, er könne sie mit seinem Fahrrad erreichen. Für ihn

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