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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gab es zwei Städte. Die eine bestand aus den sieben Blocks zwischen seiner Wohnung und dem Bürogebäude der Agentur. Die andere war größer, unübersichtlicher und gefährlicher und beschäftigte seine Phantasie nur, weil sie in den Fallberichten vorkam und ihn gelegentlich in einem unangenehmen Traum heimsuchte. In einem besonders dunklen Winkel jener anderen Stadt gab es eine gewisse Schenke, einen heimlichen Treffpunkt für die Waghalsigen, die Ränkeschmiede und die Verzweifelten. Sivart ging dort nur hin, wenn alle anderen Vermutungen sich als falsch herausstellten und wenn jede Spurim Sande verlaufen war. Und weil dieser Ort nur selten einen direkten Einfluss auf einen Fall hatte, löschte Unwin gewöhnlich seinen Namen aus den Akten.
    «
Das letzte Nickerchen
», sagte er.
    Moore nickte. «Wenn Sie wirklich darauf bestehen, ihn aufspüren zu wollen, Mr. Unwin, dann rate ich zur Eile. Ich fürchte, ich habe die Bombe bereits gezündet, weiß aber nicht, wann sie hochgehen wird.» Plötzlich erhob er sich von dem Sofa. Er wirkte wach und fast ein wenig übermütig.
    «Was ist mit der Frau, die Sie erwähnt haben?», fragte Unwin. «Die, von der Sie sagten, sie habe Ihnen den Zahn gezeigt?»
    Moore verzog das Gesicht und sagte: «Ich habe Sie beim Wort genommen, als Sie sagten, Sie würden nicht versuchen, den Fall zu lösen.»
    Unwin biss die Zähne aufeinander. Ohne nachzudenken, hatte er begonnen, Fragen zu stellen, die er gar nicht stellen wollte. Hiernach, dachte er, würde er das
Handbuch für Detektive
endgültig beiseitelegen müssen.
    «Dann da entlang», sagte Moore. «Es gibt eine Hintertür – das ist der sicherste Weg nach draußen.»
    Der Ausgang reichte Unwin gerade bis zur Taille. Da er mit Kisten vollgestellt war, mussten sie beide anpacken, um sie wegzuräumen. Die Tür ging auf den Park hinaus. Hinter dem Museum standen die Bäume dicht an dicht, und der Weg war mit orangenen und roten Eichenblättern bedeckt. Unwin schlüpfte hindurch und spannte auf der anderen Seite seinen Schirm auf.
    Moore bückte sich, um auf ihn hinabzuschauen.
    «Sagen Sie mir noch eins», bat Unwin. «Stimmt es, was Sie gesagt haben? Dass Sie das
Handbuch für Detektive
geschrieben haben?»
    «Ja», sagte Moore. «Und lassen Sie es sich von mir gesagt sein – es ist ein Haufen Unsinn. Die hätten dafür einen Detektiv nehmen sollen, es zu schreiben. Stattdessen haben sie mich gefragt, und was weiß ich schon?»
    «Sie waren kein Detektiv?»
    «Ich war Schreiber», sagte Moore und hatte die Tür bereits wieder geschlossen, bevor Unwin ihn noch irgendetwas fragen konnte.
     
    Er fuhr in südlicher Richtung durch die Stadt, den Schirm aufgespannt vor sich. Während er sich durch den Mittagsverkehr schlängelte, achtete er nicht auf das Hupen und Schreien der Fahrer und hielt den Kopf tief gesenkt.
    Er kam an der schmalen grünen Tür seines eigenen Wohnhauses und dann an der rußgeschwärzten Fassade des Central Terminal vorbei. Dort fiel sein Blick auf Neville, den Jungen vom Frühstückswagen, der vom Regen geschützt draußen stand und eine Zigarette rauchte.
    Beim nächsten Block bog Unwin in östlicher Richtung ab, damit er nicht an der Agentur vorbeikam. Er wollte weder das Risiko eingehen, noch einmal Detektiv Screed zu begegnen, noch wollte er seine Assistentin treffen – noch nicht. Der Verkehrslärm trat langsam zurück, während ringsum die gusseisernen Fassaden von Lagerhäusern und Fabriken aufragten, von deren Dachtraufen sich der Regen in Sturzbächen ergoss. Unwin zitterten mittlerweile Arme und Beine, doch nicht von der Anstrengung oder wegen der Kälte. Es war jenes tote Gesicht, das er im Museum hinter Glas gesehen hatte. Ihm war, als verspotte es ihn noch immer mit seinem schrecklichen, goldzahnigen Grinsen. Der Faden, der den Kriminalfall mit seiner Lösung verknüpfte, jenes silbrige Glitzern im Dunkeln – Sivart hatte nach demfalschen Faden gegriffen, und Unwin war ihm gefolgt, weil er ihn für die Wahrheit hielt. Doch womit war der falsche Faden verknüpft?
    In der alten Hafenstadt radelte Unwin langsamer, um sich in den gewundenen, belebten Straßen zurechtzufinden. Trotz des Regens gingen die Geschäfte hier weiter, wurde unter den Markisen und über die Tresen der Imbissstände hinweg geschachert und gefeilscht. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, und zwar nicht von einer Person, sondern von vielen. Hatte er etwas an sich, das ihn als Angestellten der Agentur brandmarkte? Wie ein

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