Handbuch für Detektive - Roman
mit seinen schmutzigen Fingernägeln im Nacken. «Na ja, schauen wir mal, das war wohl vor einer Woche. Es war dunkel, als er hierherkam, und er hat eine Menge Sachengemacht, die er sonst gar nicht macht. Er war nervös, zappelig. Gefragt hat er gar nichts, sondern sich nur in eine Ecke gesetzt und in einem Buch gelesen. Ich wusste gar nicht, dass der Mann lesen kann. Er blieb, bis seine Kerze heruntergebrannt war, und dann ist er gegangen.»
Mit dieser Schilderung schienen die Rooks zufrieden zu sein. Offensichtlich war eine Ausforschung eine schwerwiegendere Form der Erkundigung und bedurfte folglich auch einer ausführlicheren Erläuterung als Antwort. Zlatari holte tief Luft und fuhr fort. «Er sagte, ich würde ihn jetzt eine Weile nicht mehr sehen. Er meinte, Cleo sei in der Stadt und er müsse sie finden.» Bei diesen Worten schaute Zlatari zu Unwin, als wollte er sehen, ob der damit etwas anfangen konnte. Unwin blickte auf seine Chips hinab.
Cleo konnte nur Cleopatra Greenwood sein, und vor langer Zeit hatte Unwin gelernt, das Auftauchen ihres Namens in einem Bericht zu fürchten, ja, zu verabscheuen. Sie war damals zum ersten Mal mit Caligaris Wanderzirkus-der-nicht-mehr-wandert in die Stadt gekommen und jahrelang Sivarts wichtigste Informantin gewesen. Doch es war immer ein Risiko gewesen, irgendwelche Angaben zu ihren Beweggründen oder Zielen in die Berichte aufzunehmen, denn es konnte durchaus sein, dass sie einen Monat später mühsam korrigiert werden mussten. Unter ihrem Einfluss uferten Kriminalfälle oft aus und wurden zu etwas anderem, etwas, in dem man ertrinken konnte.
Ich hab mich in ihr getäuscht, Schreiber:
Wie oft war Unwin auf dieses schreckliche Eingeständnis gestoßen und hatte eiligst korrigieren müssen, was vorher geschrieben worden war?
Die anderen warteten auf Unwins nächsten Einsatz. Seine Gewinne waren größtenteils erschöpft, weshalb er eine Nachfrage gegen zwei Anfragen tauschte, beide jedochrasch verlor. Als spürten sie, dass Unwin den Tisch bald verlassen würde, wandten die Rooks ihre Aufmerksamkeit ihm zu. Jasper setzte eine Anfrage, um seinen Namen zu erfahren, und Josiah eine Nachfrage, um sich zu erkundigen, was für eine Arbeit er verrichtete.
Unwin zeigte ihnen seine Dienstmarke, und die Rook-Brüder blinzelten im Takt.
Zlataris Stirn hinter dem lockigen Fragezeichen zog sich in Falten. «Nun», sagte er, «es wäre nicht das erste Mal, dass ich einen Schnüffler an meinem Tisch sitzen habe. Detektiv Unwin, richtig? Ist in Ordnung. Jeder ist hier willkommen.» Doch bei dieser letzten Bemerkung schien er sich selbst nicht ganz sicher zu sein.
Unwin verlor wieder und wieder. Mittlerweile war er derjenige, dem Fragen gestellt wurden, und kam aus dem Antworten kaum mehr heraus. Seine Gegenspieler waren enttäuscht über sein lückenhaftes Wissen, obwohl sich Zlatari die Lippen leckte, als er ihnen das erzählte, was er von dem Mord an Lamech wusste und ihnen den bulligen Leichnam hinter dem Schreibtisch im sechsunddreißigsten Stock beschrieb, seine hervorquellenden Augen, seine verschränkten Finger.
Zlatari teilte neu aus, und auch diesmal war Unwins Blatt nicht der Rede wert: keine Bildkarten, keine Paare oder Drillinge. Mit seinem Anfängerglück war es zu Ende. Das hier würde seine letzte Hand sein, dabei hatte er nur so wenig herausgefunden.
Zlatari stieg sofort aus, doch die Rook-Brüder zeigten noch keinerlei Ermüdungserscheinungen. Eifrig nahmen sie immer wieder neue Karten auf und zählten ebenso eifrig ihre Einsätze auf den Tisch. Unwin würde zweifelsohne verlieren. Deshalb sagte er zu Zlatari gewandt: «Eine PikZwei, eine Drei, Vier, Fünf und Sechs – ist das eine gute Hand?»
Wieder dieses ganz langsame, schläfrige Blinzeln der Zwillinge.
«Ja», sagte Zlatari. «Das ist eine gute Hand.»
Die Brüder warfen ihre Karten auf den Tisch.
Unwin legte sein Blatt mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch und strich seinen Gewinn ein, ganz schnell, damit sie nicht merkten, wie seine Hände zitterten. Er löste all seine Chips ein, die, wie Zlatari ihm erklärte, für die strengste Art von Erkundigung reichten, die bei dem Spiel erlaubt war: Bei der sogenannten hochnotpeinlichen Befragung mussten alle am Tisch Antworten geben.
Unwin schaute einen nach dem anderen an. Die Rooks waren still, gebieterisch. Doch ihre Fragen hatten ihm verraten, dass auch sie, wie er, auf der Suche nach Sivart waren. Und Sivart war auf der Suche nach Greenwood. Deshalb
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