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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Oder redet ihr nicht mehr miteinander?»
    Unwin wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
    «Hast du deine Zunge heute Morgen auf dem Kopfkissenliegen lassen? Was ist dein Spruch, mein Freund?» Zlatari warf einen misstrauischen Blick auf die Aktentasche, und Unwin ließ sie auf seinen Schoß gleiten.
    «Okay, großer Schweiger. Sag an. Was darf’s sein?»
    «Wer, ich?», fragte Unwin verdutzt.
    Der Barkeeper schaute sich um, rollte mit den Augen. Er roch nach Whiskey und feuchter Erde. «Steht etwa sonst noch jemand an der Bar? Ich seh keinen.»
    Die beiden am Tisch wieherten vor Lachen, doch die Männer am Billardtisch wirkten weniger amüsiert. Als er das sah, war Zlataris Grinsen wie weggeblasen. «Jetzt komm schon, Sportsfreund», sagte er zu Unwin. «Was soll’s sein? Zu trinken meine ich.»
    Es standen einfach zu viele Flaschen in diesem Sarg, die Auswahl war zu groß. Was hätte Sivart bestellt? Sicher hatte der Detektiv schon hunderte von Malen seine Lieblingsgetränke erwähnt. Doch Unwin hatte sie aus den Berichten gestrichen, und jetzt fiel ihm kein Einzigers mehr ein. Stattdessen kam ihm sinnloserweise wieder die Antwort auf Emilys Geheimfrage in den Sinn.
Doppelt gemoppelt hält besser.
    «Malzbier», sagte er schließlich.
    Zlatari blinzelte mehrfach, als hätte er noch nie von dem Zeug gehört. Schließlich zuckte er mit den Achseln und ging den Tresen entlang. An der Wand hinter der Kasse hing ein zerschlissener Samtvorhang. Als Zlatari ihn beiseite zog, konnte Unwin einen Blick in eine winzige Küche werfen. Dort hinten dudelte ein Radio, und er hatte das Gefühl, das Lied zu kennen – eine langsame, von Hörnern gespielte Melodie, zu der eine Frau sang, deren hohe Stimme von Streichern begleitet wurde. Er war sich sicher, dass er diese Melodie irgendwann schon einmal gehört hatte, und war beinahedarauf gekommen, als Zlatari den Vorhang wieder hinter sich zuzog.
    Unwin rutschte auf seinem Hocker hin und her. Im Spiegel konnte er die Männer in der Nische hinter ihm beobachten. Einer von ihnen tippte aufgeregt an seinen Hut und sagte: «Mensch, wenn ich dir das erzähle!», und der andere beugte sich nach vorn, um ihm zuzuhören, obwohl sein Gegenüber die Geschichte so laut erzählte, dass die ganze Kneipe mithören konnte.
    «Vorgestern Abend treffe ich Bones Kiley», sagte er, «und wir reden gerade über Geschäfte, du weißt schon. Und da fängt der urplötzlich, so mir nichts, dir nichts, an, vom
Geschäft
zu reden. Also sag ich zu ihm: ‹Jetzt warte mal, willst du wirklich über das
Geschäft
reden? Weil, wenn du nämlich über das
Geschäft
reden willst, dann sollten wir nicht über Geschäfte reden, weil es eben Geschäfte gibt und das
Geschäft.›
»
    «Ha», sagte der andere Mann.
    «Und dann frage ich ihn: ‹In was für einem Geschäft bist du denn, Bones, dass du übers
Geschäft
reden willst?›»
    «Haha», machte der andere.
    «Und da guckt Bones ganz ernst, quetscht seine Augenbrauen regelrecht zusammen, siehst du, so …»
    «Ha.»
    «Und dann schaut er mich an und kneift ganz doll die Augen zusammen und sagt in seiner tiefsten Stimme: ‹Blut ist mein Geschäft.›»
    Der andere Mann sagte nichts.
    «Und da sage ich zu ihm», zum Ende seiner Geschichte hob der Mann die Stimme noch mehr, «ich sag: ‹Blut ist dein Geschäft? Blut ist dein Geschäft? Bones, es gibt doch gar kein anderes Geschäft als das Blut!›»
    Beide Männer lachten und tippten sich gleichzeitig vergnügt an ihre Hüte. Die Kerze flackerte und ließ ihre Schatten an der unebenen Steinwand tanzen und zucken.
    Während der Mann die Geschichte erzählte, hatten die beiden am Billardtisch ihre Stöcke abgelegt. Sie waren sich mit ihren blassgrauen Lippen und den strahlend grünen Augen wie aus dem Gesicht geschnitten. Unwin fragte sich, ob das wohl die Rook-Brüder sein konnten, Jasper und Josiah, die schurkischen Zwillinge, die Enoch Hoffmann ebenso beim Raub des ältesten Mordopfers der Welt geholfen hatten wie bei unzähligen anderen Missetaten, die er während seines kriminellen Regimes begangen hatte.
Das Schlimmste kann passieren
, hatte Sivart oft geschrieben,
und das andere Schlimmste auch noch.
    Schulter an Schulter kamen die beiden näher, wobei sie sich bei jedem Schritt leicht aneinander lehnten. Es hieß, die Rooks seien einmal miteinander verwachsen gewesen, dann jedoch in einer waghalsigen Operation voneinander getrennt worden, durch die ihre Füße verkrüppelt geblieben seien – Jaspers

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