Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
behielt.
    Wir fanden die Kiste mit Mr. Grusel darin und trugen sie zu einem Rettungsboot. Es war ganz schön harte Arbeit, sie mit ihrem Hinkebein und ich mit meinen wunden Füßen, doch mithilfe von ein paar Tauen schafften wir es, den Leichnam mitsamt der Kiste auf das Beiboot hinabzulassen. Sie saß im Bug und rieb sich ihr kaputtes Knie, während ich ruderte. Es war dunkel dort draußen auf dem Wasser, kein Mond, keine Sterne, und ich konnte kaum die gut zwei Meter bis zu ihrem Gesicht erkennen. Was sie hinterher vorhatte,wollte sie mir nicht verraten. Und sie wollte mir auch nicht sagen, wo ich sie finden könnte. In Wirklichkeit weiß ich immer noch nicht, wo sie steht. Auf Hoffmanns Seite? Auf unserer? Sie scheint ein guter Kerl zu sein, Schreiber, und ich möchte ihr vertrauen. Aber vielleicht täusche ich mich in ihr.
    Seit Jahren, im Verlauf Dutzender Fälle, hatte Sivart keine Gewissheit darüber erlangen können, auf wessen Seite sie stand, und Unwin ebenso wenig, bis zum Diebstahl des zwölften November, als Sivart sie auf frischer Tat ertappt hatte und tat, was er tun musste.
    Was, wenn Edwin Moore recht gehabt hatte und es vielleicht wirklich Greenwood gewesen war, die an jenem Abend die Leichen ausgetauscht und durch diesen Trick Sivart dazu gebracht hatte, die falsche Leiche ins Museum zurückzubringen? Und wenn es Sivart nicht gelungen war, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen, welche Hoffnung konnte sich dann Unwin überhaupt noch machen? Er stellte für sie keine Bedrohung dar; er war eine Null, ein Niemand, ein unbeschriebenes Blatt – DETEKTIV CHARLES UN , wie es an seiner Bürotür stand.
    Vor ihm bog ein schwarzes Auto aus einer Gasse und stellte sich quer. Unwin bremste und wartete. Da kein Verkehr herrschte, gab es für den Wagen auch keinen Grund, nicht weiterzufahren, doch er blieb stehen. Unwin versuchte, einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen, doch alles, was er sehen konnte, war sein eigenes Spiegelbild in der Scheibe. Der Motor gab ein dumpfes Knurren von sich.
    Was hätte wohl im
Handbuch
dazu gestanden? Es war klar, dass Unwin eingeschüchtert werden sollte. Sollte er so tun, als wäre das nicht der Fall? Sollte er sich so verhalten, als wäre das alles nur ein Missverständnis und die Verkehrsbehinderung sei ihm bestenfalls lästig? Vonseiten des Autofahrerswar ein solches Entgegenkommen offenbar nicht zu erwarten, weshalb Unwin abstieg und sein Fahrrad zur anderen Straßenseite schob.
    Das Fahrzeug schoss aus der Gasse und kam direkt auf ihn zu. Unwin machte einen Satz rückwärts, als es auf den Bürgersteig rollte. Noch zwei Schritte weiter, und er wäre gegen die Backsteinmauer gedrückt worden. Wieder sah er im Fenster auf der Fahrerseite, von Regenschlieren verzerrt, nur sein eigenes Spiegelbild.
    Unwin stieg auf seinen Drahtesel und fuhr zurück über die Straße. Er versuchte, Ruhe zu bewahren, doch seine Füße rutschten von den Pedalen, und er geriet ins Schlingern. Er hörte Reifen quietschen, als der Wagen auf der Straße wendete, wobei der Motor noch einmal richtig aufheulte, als spürte er die Schwäche seiner Beute. Unwin fing sich wieder und bog flink in die Gasse ein, aus der der Wagen gekommen war. Dann war die Bestie hinter ihm und erfüllte die schmale Straße mit ihrem Lärm. Er trat in die Pedale. Die Scheinwerfer des Autos waren gleißend hell und verwandelten den Regen in einen Vorhang, der fast kompakt wirkte. Sicher konnte er es bis zum Ende der Gasse schaffen, dachte er, doch auf der Straße dahinter würde der Wagen ihn garantiert überholen.
    Als er auf die größere Straße einbog, streckte er den Schirm nach hinten, damit ein Windstoß hineinfuhr und ihn öffnete. Mit der freien Hand riss er den Lenker nach links herum. In diesem Moment wurde der Schirm voll vom Wind erfasst, und das Fahrrad scherte hart auf den Gehsteig aus, wobei es an der Bordsteinkante schwer ins Schlingern kam.
    Das Auto preschte ungebremst auf die Straße hinaus und stieß fast mit einem Taxi zusammen. Unwin blieb nichtstehen, um zurückzuschauen. Er trat wieder in die Pedale, so schnell er konnte, den Kopf tief über den Lenker gebeugt. Das Regenwasser schwappte in seinen Schuhen. In diesem Moment fuhr ein zweiter Wagen, identisch mit dem ersten, aus der Querstraße, hielt an der Kreuzung und blockierte ihn. Unwin blieb nicht stehen – er hatte vergessen, wie das ging. Stattdessen klappte er seinen Schirm zusammen, klemmte sich den Griff unter den Arm und hielt die Spitze

Weitere Kostenlose Bücher