Handbuch für Detektive - Roman
linker und Josiahs rechter. Beide trugen unterschiedlich große Stiefel, den jeweils kleineren auf der Seite, auf der jene unwiderrufliche Trennung vollzogen worden war. Das war auch die einzig sichere Möglichkeit, sie auseinanderzuhalten.
Die Zwillinge kehrten Unwin, als sie sich über den Tisch beugten, den Rücken, sodass er die Männer, die dort saßen, nicht mehr sehen konnte. Er hatte das Gefühl, dass die beiden eine große Hitze verströmten, die seinen Nacken trocken blies. Es war, als wären sie gerade aus einem Heizungskeller gekommen.
«Mein Bruder», sagte der eine in gemessenem Ton, «hat mir geraten, ich soll dir raten, dass du jetzt verschwindest.Und da ich immer den Ratschlägen meines Bruders folge, rate ich dir hiermit zu verschwinden.»
«Aha. Und wer sagt das?»
«Genau genommen», sagte der andere mit einer Stimme, die tiefer war als die seines Bruders, aber ansonsten vollkommen gleich, «
sagt
mein Bruder das nicht, sondern er rät es.»
«Nun, ich kenne deinen Bruder nicht», sagte der Mann, der die Geschichte erzählt hatte, «deshalb glaube ich auch nicht, dass ich seinen Rat befolgen werde.»
In der nun folgenden Stille hatte es für Unwin den Anschein, als warteten selbst die Toten in ihren Gräbern, direkt dort hinter der Mauer, an der der Spiegel hing, darauf, zu hören, was jetzt passieren würde.
Einer der Zwillinge leckte die Spitzen seines Zeigefingers und Daumens an, beugte sich über den Tisch und löschte damit die Kerzenflamme, die mit einem Zischen erstarb. Aus dem Dunkel der Nische kam ein erstickter Schrei. Die beiden Männer gingen in Richtung Tür, zwischen sich den Geschichtenerzähler, der wild mit den Füßen um sich trat, welche ein paar Zentimeter über dem Boden hingen. Draußen ließen sie ihn fallen wie einen Sack, mit dem Gesicht in die Pfütze des verstopften Abflusses. Zusammengesunken lag er zwischen den dümpelnden Zigarettenkippen und machte keinerlei Versuche, den Kopf aus der Pfütze zu heben.
Die Brüder kehrten in den hinteren Teil der Schenke zurück, ließen die Tür aber offen. Der eine rieb die Spitze seines Queues mit Kreide ein, während der andere sich seinen nächsten Stoß überlegte. Als er ihn schließlich machte, versenkte er zuerst eine Kugel, dann noch eine.
Der Mann, der immer noch in der Nische saß, blinzelte, da sich seine Augen offenbar noch nicht an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Schließlich setzte er seinenHut auf und ging nach draußen. Nach einem kurzen Moment des Zögerns und einem Blick zurück in die Taverne hob er seinen Freund aus der Pfütze und schleppte ihn die Treppe hoch.
Zlatari kam hinter dem Vorhang hervor und ging brummend zur Tür, um sie zu schließen. Als er wieder hinter dem Tresen war, entkorkte er die Flasche in seiner Hand und schob sie mit Schwung in Richtung Unwin.
Die beiden Männer im hinteren Teil des Lokals hatten ihr Spiel beendet und nahmen Seite an Seite in der Nische Platz, die dem Billardtisch am nächsten lag. Einer von ihnen nickte Zlatari zu, und Zlatari hob die Hand und sagte: «Ja, Jasper, kleinen Moment noch.»
Acht Jahre war es her, dass die Namen Jasper und Josiah Rook in Sivarts Berichten aufgetaucht waren – wie Hoffmann waren auch die Zwillinge nach den Geschehnissen rund um den «Mann, der den zwölften November stahl» untergetaucht. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sich Unwin gewünscht hatte, sie würden wiederkommen – aber nur auf dem Papier, nicht in Fleisch und Blut.
«Nun», sagte Zlatari zu ihm. «Heute ist dein Glückstag. Wir werden ein paar Runden pokern und brauchen einen vierten Mann.»
Abwehrend hob Unwin die Hand und sagte: «Nein danke. Ich bin nicht besonders gut im Kartenspielen.»
Josiah flüsterte Jasper etwas ins Ohr – laut Sivarts Berichten war es Josiah, der als der Kopf des Duos galt, während Jasper allgemein als sein Sprecher fungierte. Letzterer rief Unwin zu: «Mein Bruder hat mir geraten, dir zu raten mitzuspielen.»
Unwin hatte genug gesehen, um zu wissen, dass ihm keine Wahl blieb. Er nahm seine Flasche und folgte Zlatarian den Tisch, wo er zur Rechten des Totengräbers Platz nahm. Die Rooks schauten ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihre langen Gesichter, die aussahen wie aus dem gleichen Ton geformt, hätten ebenso gut leblose Masken sein können, wären da nicht die grünen Äuglein gewesen. Diese Augen blickten sehr lebendig, und sie waren gierig – sie fingen das Licht ein und gaben es nicht mehr
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