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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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er ihr zurück ins Zimmer. Sie hob für ihn ihren Koffer vom Stuhl und setzte sich selbst auf die Bettkante.
    «Ich habe tatsächlich nach Sivart gesucht, als ich in die Stadt kam», sagte sie. «Ich brauchte seine Hilfe. Doch als ich ihn dann vor etwa einer Woche sah, wirkte er heruntergekommen und stand ein bisschen neben sich. Es war hier, in der Hotellobby. Er sagte, er könne nicht bleiben. Er habe etwas gesehen, das er nicht glauben könne.»
    «Die Goldfüllung», sagte Unwin. «Die habe ich auch gesehen. Und Zlatari hat mir erzählt, Sivart sei vor etwa einer Woche im
Letzten Nickerchen
gewesen. Er las die ganze Zeit irgendetwas.» Unwin hörte in seinem Kopf ein Warnsignal, wie das Bimmeln einer Schreibmaschinenklingel, und unterbrach sich. Er gab Informationen weiter, die er gar nicht weitergeben musste.
    Doch Miss Greenwood zuckte nur die Achseln. «Wahrscheinlich seine Ausgabe des
Handbuchs.
Er war zunehmend ratlos.»
    «Sie kennen das
Handbuch für Detektive?»
    «Lerne deine Feinde kennen», sagte sie.
    Unwin blickte in seinen Schoß. Miss Greenwood war seine Feindin, natürlich. Doch jetzt, da sie offen miteinander redeten, musste er feststellen, dass er es sich anders gewünscht hätte. War es Sivart auch so ergangen, jedes Mal, wenn er sich in ihr getäuscht hatte?
    Sie sagte: «Ich bin zu Lamech gegangen, weil ich dachte, er wüsste, was mit Sivart passiert ist. Ich machte mir Sorgen. Natürlich war ich überrascht, als ich Sie dort sitzen sah.»
    «Das haben Sie aber sehr gut zu verbergen gewusst.»
    «Alte Gewohnheit», erwiderte sie.
    Das Telefon klingelte. Es glänzte tiefschwarz zwischen den grellweißen Laken und schien ob dieses Kontrastes auch besonders laut zu klingeln.
    Plötzlich sah Miss Greenwood wieder sehr müde aus. «Zu früh», sagte sie.
    «Wenn Sie drangehen müssen …»
    «Nein!», rief sie. «Und Sie gehen auch nicht dran.»
    So saßen sie da, starrten das Telefon an und warteten darauf, dass es aufhörte zu klingeln. Miss Greenwood schwankte ein wenig und atmete tief durch, als müsste sie gegen eine Ohnmacht ankämpfen. Unwin zählte elf Klingeltöne, bevor der Anrufer aufgab.
    Miss Greenwoods Augen schlossen sich mit einem Flattern ihrer Lider, und sie sank auf das Bett zurück. Im Zimmer war es jetzt vollkommen still. Von den anderen Hotelgästen war kein Mucks zu hören, weder Schritte noch Stimmen. Wo war der Autolärm geblieben? Vage wünschte sich Unwin irgendein Geräusch herbei, und sei es auch nur das Miauen einer Katze draußen in der Gasse.
    Er stand von seinem Stuhl auf und sagte Miss Greenwoods Namen, doch sie rührte sich nicht. Er rüttelte sie an der Schulter – keine Reaktion.
    Sivart, dachte er, hätte die Gelegenheit bestimmt beim Schopfe ergriffen und mit seinen Ermittlungen begonnen. Vielleicht sollte er das ja auch tun. Er nahm Miss Greenwoods Glas und schnupperte daran, doch was genau er erschnüffeln wollte, wusste er auch nicht. Das Eis war fast geschmolzen – das war alles, was er schließen konnte. Mit dem Fuß hob er den Kofferdeckel an und sah, dass die Kleidungsstücke darin sorgsam gefaltet waren.
    Er trug das Glas zur Küchenzeile, und stellte es in die Spüle. Litt Miss Greenwood etwa, wie seine Assistentin, an einer Art Schlafkrankheit? In Sivarts Berichten war nie von etwas Derartigem die Rede gewesen. Vielleicht hatte ihre Erschöpfung sie einfach überwältigt. Doch wovon war sie nur so müde?
    Er beobachtete sie, wie sie so auf dem Bett lag – ihre Atemzüge waren langsam, als wäre sie in tiefem Schlaf versunken. Er fragte sich, ob er sie mit dem Laken zudecken oder ihr die Schuhe ausziehen sollte. Einen Moment lang schien Miss Greenwood ihm gegenüber generös gewesen zu sein. Er würde warten müssen, bis sie wieder aufwachte, und darauf hoffen, dass sie dann immer noch gewillt war, zu reden.
    Er nahm neben ihr Platz, holte, ohne nachzudenken, das
Handbuch für Detektive
aus seiner Aktentasche und schlug es auf seinem Schoß auf. Auf Seite sechsundneunzig fand er die Passage, die Detektiv Pith ihm an diesem Morgen im Central Terminal empfohlen hatte.
    Solange der Detektiv nicht selbst ein paar Geheimnisse hat – wenn er sich also nicht von vorneherein die Disziplin auferlegen muss, durch die man etwas vor allen Menschen verbirgt, die man kennt, und auch die persönlichen Nachteile in Kaufgenommen hat, die ein solches Unterfangen mit sich bringt – wird es ihm nie gelingen, die Geheimnisse anderer zu lüften, und er hat es auch

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