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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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heute Morgen in Lamechs Büro gekommen sind. Bestimmt nicht, um Sivart anzuheuern. Der hat sich schon vor Tagen selbst auf die Suche nach Ihnen gemacht.»
    Jetzt stellte sie ihr Glas ab. «Wer sind Sie?»
    «Detektiv Charles Unwin», sagte er. «Edward Lamech war mein Wächter.» Er zeigte ihr seine Dienstmarke.
    «Dann sind Sie jetzt ein Detektiv ohne Wächter», sagte sie. «Damit sind Sie in einer einzigartigen Lage. Ich möchte Sie anheuern.»
    «So funktioniert das nicht. Detektive bekommen Fälle zugeteilt.»
    «Ja, durch ihre Wächter. Und Sie haben keinen. Also frage ich mich, woran Sie überhaupt genau arbeiten.»
    «Ich versuche, Detektiv Sivart zu finden. Er ist ins Stadtmuseum gegangen, aber das wissen Sie ja. Denn Sie waren es doch, die dem Museumswärter den Goldzahn des ältesten Mordopfers der Welt gezeigt haben?»
    Darüber dachte sie offenbar mit Interesse nach, erwiderte jedoch nichts. «Wie spät ist es?», sagte sie.
    Er schaute auf seine Uhr. «Halb zehn.»
    «Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Herr Detektiv.» Sie führte ihn wieder zur Tür, öffnete sie jedoch nicht. Sie wies auf den Spion und sagte: «Schauen Sie da durch.»
    Unwin bückte sich, um hindurchzuschauen, entschied sich dann jedoch dagegen, Cleopatra Greenwood den Rücken zuzukehren. Sie machte ein paar Schritte rückwärts und hielt ihm die Hände hin, als wollte sie ihm zeigen, dass sie unbewaffnet war. «Ich habe Ihnen immerhin so weit getraut, um Sie hereinzulassen, stimmt’s?»
    Er zögerte.
    «Beeilen Sie sich», sagte sie, fast im Flüsterton. «Sonst verpassen Sie es.»
    Unwin spähte durch den Spion. Zunächst bot sich ihm nur der wie durch ein Fischauge verzerrte Blick auf den Flur. Dann tauchte ein Hotelpage mit einem abgedeckten Tablett in der Hand auf. Er stellte es vor der gegenüberliegenden Tür auf den Boden, klopfte und ging weg. Niemand holte das Essen rein.
    «Schauen Sie weiter», sagte Miss Greenwood.
    Langsam öffnete sich die Tür, und ein alter Mann in einem zerschlissenen Frack lugte auf den Flur hinaus. Er hatte einen uralten Dienstrevolver in der Hand und wienerte ihn mit einem rechteckigen blauen Tüchlein. Er blickte in alle Richtungen, und als er sich vergewissert hatte, dass niemand auf dem Gang war, steckte er den Revolver in die Tasche. Dann nahm er das Tablett und ging wieder nach drinnen.
    Miss Greenwood grinste. «Wissen Sie, wer das war?», fragte sie.
    «Nein», erwiderte Unwin, obwohl ihm der Mann irgendwie bekannt vorgekommen war. Langsam machte ihn dieses Spielchen nervös, ganz gleich, worum es sich handelte.
    «Colonel Baker.»
    «Jetzt versuchen Sie aber wirklich, mich aus dem Konzept zu bringen», sagte Unwin.
    «Ich versuche, Ihnen etwas Gutes zu tun, Detektiv Unwin. Mittlerweile sollten Sie gemerkt haben, dass die Dinge viel komplizierter sind, als Sie vielleicht geglaubt haben. Jeder weiß, dass Colonel Baker tot ist. Jeder weiß, dass Sivart den Fall damals abgeschlossen hat und als Sieger vom Platz gegangen ist. Und trotzdem wohnt Colonel Baker in dem Zimmer mir gegenüber. Jeden Abend bestellt er etwas beim Zimmerservice. Er isst gerne spät zu Abend.»
    Wäre da nicht der Revolver gewesen, hätte Unwin möglicherweise den Entschluss gefasst, hinüberzugehen und zu beweisen, dass Miss Greenwood log. «Die drei Tode des Colonel Baker» war einer der gefeiertsten Fälle Sivarts gewesen, und Unwins Akte war eine Komposition höchster Güte geworden – kein Schreiber hätte das jemals bezweifelt.
    Colonel Sherbrooke Baker, ein hochdekorierter Kriegsheld, war durch eine geheime Taktik auf dem Schlachtfeld berühmt geworden, durch die er beim Gegner den Anschein erweckte, er könne an zwei Orten gleichzeitig sein. In späteren Jahren hatte er sich jedoch vor allem mit seiner unvergleichlichen Sammlung militärischer Erinnerungsstücke einen Namen gemacht. Außer einigen interessanten Stücken aus der Antike, die für Historiker dieses Fachgebiets von Interesse waren, enthielt die Sammlung zahlreiche alte Gewehre und Seitengewehre, von denen einige den Gründervätern des Landes gehört hatten. Außerdem, hier waren sich die Experten einig, hatte der Sammler eine stattlicheAnzahl von Waffen zusammengetragen, mit denen in verschiedenen Kriegen, ob Bürgerkriegen oder Revolutionskriegen, jeweils der erste Schuss abgegeben worden war. Allerdings war es nur wenigen Interessierten vergönnt gewesen, diese außergewöhnlichen Exemplare eingehend betrachten oder auch nur sehen zu können, denn

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