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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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um die eigene Achse drehten.
    An der Hügelkuppe stand ein prächtiges Haus mit hohen Giebeln. Jedes Fenster war beleuchtet und ergoss seinen hellen Schimmer auf den verwilderten Garten rund um das Haus. Irgendwie kam Unwin das alles bekannt vor – hatte Sivart es in einem seiner Berichte beschrieben? Über der Tür hing ein Schild mit einer dicken, schwarzen Katze, die, den Mond im Rücken, mit einer Zigarre in einer Pfote, in der anderen ein Cocktailglas, dasaß. In einem Bogen über dem Mond stand die Inschrift
Ratzekatz
. Unwin war sich sicher, davon noch nie gehört zu haben.
    In einer Säulenhalle wartete eine Schlange von Schläfern auf Einlass in den Club. Unwins kleine Gruppe stellte sich ebenso an, weitere folgten ihrem Beispiel.
    Ein Butler ließ sie ein und begrüßte jeden Gast mit einem schläfrigen Nicken.
    «Was ist das?», fragte ihn Unwin und klappte seinen Schirm zu. «Was geht hier vor?»
    Der Butler schien die Frage nicht zu verstehen. Er blinzelte ein paarmal und spähte Unwin wie aus großer Ferne mit zusammengekniffenen Augen an.
    Die Gruppe drängelte vor, und Unwin wurde in den Club geschoben. Mitten in der Eingangshalle prangte eine große Freitreppe. Die meisten Gäste gingen in einen Raum zur Rechten weiter. Es war ein Spielsalon, und sowohl Bedienstete als auch Spieler schliefen fest. Es gab keine Chips. Stattdessen schoben die Spieler ganze Stapel von Weckern über den Tisch. Wenn das Haus genügend Uhren gewonnen hatte, brachten Butler sie auf Schubkarren weg.
    Emily, bekleidet mit einem gelben Pyjama, war unter den Spielern. Ihr Gesicht wirkte ohne die Brille kleiner,und durch den Regen hatte sich ihre Haarfarbe zu einem dunklen Kupferton vertieft. Auch sie hatte einen Sack voller Wecker dabei und schien momentan eine Glückssträhne zu haben. Sie lachte laut und zeigte ihre kleinen schiefen Zähne. Andere im Zimmer lachten nach einer kleinen Verzögerung mit. Unwin kam sich vor, als blickte er in ein großes Aquarium: Jeder darin atmete das gleiche Wasser, doch Klang und Sinn bewegten sich wie in Zeitlupe fort.
    Emily würfelte, gewann wieder, und ein Mann ohne Hemd mit buschigen Augenbrauen legte den Arm um ihre Schulter. Unwin machte ein paar Schritte auf ihn zu, um Emily notfalls zu wecken, doch plötzlich war Miss Greenwood an seiner Seite und hängte sich bei ihm ein. Sie zog ihn vom Tisch weg, zurück in die Eingangshalle und durch eine mit einem Vorhang verhängte Tür hindurch, die gegenüber dem Spielsalon lag.
    Hier saßen Dutzende von Gästen an Tischen, einige rauchten, manche murmelten, andere lachten, und alle schliefen sie fest. Schlafwandelnde Kellner bedienten sie, brachten frische Getränke und Zigarren. Auf einer mit Troddeln verzierten Bühne spielte ein Quartett auf einem Waschbrett, einem Henkelkrug, einem Bass, dessen Saiten Gummibänder waren sowie einer Quetschkommode. Den Akkordeonspieler kannte Unwin; es war Arthur, der Putzmann, den er schon an diesem Morgen gesehen hatte. Er hatte geschlafen, als Unwin und Detektiv Pith dort mit ihm im Central Terminal gewesen waren, und, angetan mit seinem grauen Overall, schlief er immer noch.
    Miss Greenwood suchte nicht nach einem leeren Platz; stattdessen ging sie zu einer Tür rechts von der Bühne. Bewacht wurde sie von Jasper und Josiah Rook. Die Zwillingeschliefen nicht. Sie standen da, die Hände in den Hosentaschen, und blickten mit ihren Falltüraugen prüfend in die Menge. Unwin schloss halb die Augen, um nicht aufzufallen, und ließ Miss Greenwoods Arm los.
    Jasper (oder war es Josiah?) machte für sie die Tür auf, und Josiah (oder war es Jasper?) begrüßte sie mit Namen. Sie gingen mit ihr durch die Tür und machten sie hinter sich zu.
    Unwin schlenderte zu den Tischen zurück. Die Gäste setzten ihre Traumparty fort, und er war für sie unsichtbar. Er suchte nach einem leeren Platz, weil er glaubte, für den Fall, dass die Rooks zurückkehrten, sei es besser, sich zu verstecken.
    Dann sah er sie. Die Frau in dem karierten Mantel saß allein an einem Tisch mitten im Raum. Unter ihrem Mantel trug sie ein blaues Nachthemd. Sie nippte an ihrem Glas Milch und starrte mit glasigen grauen Augen in Richtung Bühne.
    Was machte sie hier? Zuerst hatte sie im vierzehnten Stock seinen Platz eingenommen, und jetzt war sie selbst dem Wahn verfallen, unter dem auch Emily und Miss Greenwood litten. Konnte Unwin denn schuld daran sein, dass seine inoffiziellen Wege sie in sein Dilemma verwickelt hatten? Detektiv Pith

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