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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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was ich gesehen habe», sagte er, und sie gab den Übriggebliebenen ein Zeichen, zu warten.
    Unwin beschrieb die Spieltische, die Wecker, ihre eigene Darbietung, die offenbar das war, was die Schlafwandler zur Party lockte. Er erzählte ihr, wie die Rooks das Ganze überwacht hatten und dass der Putzmann Miss Greenwoods Gesang auf der Quetschkommode begleitet hatte.
    Das alles interessierte sie, doch er spürte, dass sie auf etwas anderes aus war. «Ich möchte, dass wir ehrlich zueinander sind», sagte sie. «Bestimmt kommt es Ihnen so vor, als wollte ich Sie einschüchtern. In Wirklichkeit bin ich aber nur in die Stadt zurückgekehrt, weil ich Ihnen helfen will. Sie täuschten sich, als Sie mich beschuldigt haben, Ihrem Freund die Wahrheit über das ‹Älteste Mordopfer der Welt› eröffnet zu haben. Das muss meine Tochter gewesen sein.»
    Unwin musste sich die Akten der Agentur über Cleopatra Greenwood nicht lange ins Gedächtnis rufen, um sicher zu sein, dass darin nirgendwo von einer Tochter die Rede war. Entweder log Miss Greenwood ihn an, oder sie verriet ihm gerade etwas, das Sivart niemals herausgefunden hatte.
    «Ich fürchte, sie hat sich selbst in ziemliche Schwierigkeiten gebracht», fuhr Miss Greenwood fort. «Sie wird allmählich ihrer Mutter viel zu ähnlich, das ist das Problem.»
    «Sie denken, sie ist in Hoffmanns Pläne verwickelt?»
    Sie warf einen Blick über ihre Schulter, um sich zu vergewissern, dass die Übriggebliebenen sie nicht hören konnten, dann sagte sie leise: «Ich werde Ihnen dabei helfen, ihm Einhalt zu gebieten.»
    «Miss Greenwood, ich habe nicht vor, Enoch Hoffmann Einhalt zu gebieten.»
    Wieder zeigte sich ihre Erschöpfung. Ein kräftiger, nach Meer riechender Wind führte Regen aus der Bucht mit sich, und sie kniff schützend die Augen zusammen. «Ist Ihnen noch nicht der Gedanken gekommen, dass Travis möglicherweise längst tot ist?», fragte sie, und ihre Stimme hob sich ein wenig, als der Wind stärker wurde. «Sie kommen aus dieser Sache nur wieder raus, wenn Sie tun, was ihm nicht gelungen ist.»
    Ein lärmender Donnerhall ließ sie herumfahren. Ein schweres Fahrzeug rumpelte klappernd auf einer holprigen Straße entlang. Unwin sah sich danach um, aber eine Reihe verlotterter Zelte für die Nebenattraktionen versperrte ihm die Sicht. Jetzt kamen die Übriggebliebenen auf sie zu. Selbst ohne ihre gespiegelten Doppelgänger waren es eine ganze Menge.
    «Sivart war zu blöd, um zu merken, dass er besiegt worden war», sagte Miss Greenwood. «Machen Sie nicht den gleichen Fehler.»
    Unwin klappte seinen Schirm zusammen und rannte los. Einen Moment später waren die Übriggebliebenen nur noch ein paar Schritte hinter ihm; jauchzend stürzten sie sich in den Regen, begeistert davon, dass es endlich losging. Unwin steuerte das nächste Zelt an und schlüpfte hinein. Hier roch es stark nach Moder, und der Regen ergoss sich durch viele Risse in der Leinwand. Unwin durchquerte das Zelt, schwang seinen Schirm, zerrte mit der Spitze so lange an dem schweren Stoff, bis er kaputtging. Mit einer einzigen Armbewegung riss er das Zeltdach herunter.
    Der Dampflaster der Rooks näherte sich auf der Straße hinter dem Zelt. Das Gefährt hüpfte über Schlaglöcher und paffte schwarze Rauchwolken aus seinem Schornstein, die beiden Scheinwerfer bohrten sich wie gelbe Pfähle durch den Regen. Unwin lief geduckt neben dem Laster her, bis dieser vor einer Kurve sein Tempo drosselte. In diesem Moment hüpfte Unwin hinten auf die Stoßstange, spannte seinen Schirm auf und schwang ihn über seinen Kopf. Mit der freien Hand hielt er sich an der Klappe der Pritsche fest.
    Hinter ihm stand Miss Greenwood mitten auf der Straße, von den Übriggebliebenen umringt. Ihr Regenmantel war ein leuchtender Fleck inmitten jener farblosen, zerzaustenGestalten. Sie schaute ihm hinterher, bis der Lastwagen erneut abbog und auf dem Weg in das Herz des Wanderzirkus-der-nicht-mehr-wandert eine Reihe alter Theater passierte.
     
    Seine erste Berührung mit Caligari hatte Detektiv Sivart bald nach der Ankunft des Wanderzirkus gehabt, Monate vor den Geschehnissen rund um das «Älteste Mordopfer der Welt». Die Berichte, die damals bei der Agentur eingingen, deuteten darauf hin, dass der Zirkusdirektor eine Bedrohung für die Stadt darstellen könnte. Er wurde wegen Verbrechen, die von Raub bis zu Schmuggel, von Erpressung bis zu Betrug reichten, in über einem Dutzend Bundesstaaten gesucht. Es hieß, selbst sein

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