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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Lächeln.
    Hinter dem Eingang gähnte das überflutete Labyrinth des ehemaligen Wanderzirkus. Holzplanken lagen als Stege über den großen schmutzigen Pfützen und verbanden die übrig gebliebenen Attraktionen miteinander – Attraktionen, die man wohl kaum mehr als attraktiv bezeichnen konnte. Riesige Maschinen, in denen einst Fahrgäste gerüttelt und geschüttelt und durcheinandergewirbelt worden waren, fielen dem Rost anheim und hatten ihre zerbrochenen Krakenarme abgeworfen und zwischen den eingestürzten Zelten und baufälligen Buden verteilt. Der Zirkus war ein Ort der verlorenen Dinge, und Edwin Moore war zu einem davon geworden. Als Unwin sich umschaute, fühlte er sichselbst verloren. Er wusste, dass er den alten Schreiber nicht diesem Ort überlassen konnte.
    Er war erst ein paar Schritte vom Eingangstor weggekommen, als sich bei einem Kassenhäuschen in der Nähe ein Fenster öffnete. Ein Mann, der sich eine Zigarette zwischen die Zähne geklemmt hatte, linste ihn durch eine Wolke aus gelbem Rauch an. Er hatte einen dicken weißen Schnurrbart, strähniges schulterlanges Haar und trug einen Staubmantel aus Öltuch, den er bis oben zugeknöpft hatte. Aus dem Kragen lugten eckige schwarze Tattoos wie die Wurzeln eines umgestürzten Baumes und rankten sich an seinem ledrigen Hals bis zum Jochbein hoch.
    «Eintrittskarte», bellte er.
    Unwin ging auf das Häuschen zu, und der Mann verschränkte die Arme vor seinem Körper. Seine Wurzeltätowierungen krochen unter den Manschetten hervor und reichten bis zu den Knöcheln.
    «Wie viel?», fragte ihn Unwin.
    «Genau», sagte er.
    «Genau was?»
    «Das wird Sie was kosten.»
    «Ja, aber wie viel?»
    «So viel», sagte der Mann und bleckte eine Reihe gelber Zähne.
    Unwin spürte, dass er irgendwie in Schwierigkeiten steckte, doch er konnte nicht genau sagen, in welchen.
    Der Mann paffte vor sich hin, sagte aber nichts. Dann kniff er die Augen zusammen und schaute an Unwin vorbei zum Eingang.
    Noch jemand ging unter den Beinen des Riesenclowns hindurch. Sie hielt sich eine Zeitung über den Kopf, während sie durch den Regen auf die beiden Männer zu hinkte.Es war Miss Greenwood, eingemummelt in einen roten Regenmantel. Flink duckte sie sich unter Unwins Schirm und warf die tropfnasse Zeitung beiseite. Sie sah müder aus denn je – das Gelage der vergangenen Nacht hatte ihre Erschöpfung vertieft.
    Der Mann im Kassenhäuschen knöpfte seinen Mantel auf. Darunter trug er einen Schultergurt aus abgewetztem Leder, in dem ein Dutzend oder mehr schimmernde Dolche steckten. Er holte einen davon heraus und hielt ihn locker an der Messerspitze. Blitzschnell verglich Unwin die Waffe mit den Angaben aus dem Waffenverzeichnis der Agentur: klein, schmal, mit einem kleinen Stahlknauf am Griff, damit man besser zielen konnte. Es war ein Wurfmesser.
    «Mr. Brock», sagte Miss Greenwood, «Sie werden doch an einem Tag wie diesem niemanden wegen Eintrittskarten belästigen.»
    Unwin kannte den Namen aus Sivarts Berichten. Das war Theodore Brock, der als Messerwerfer des Caligari in die Stadt gekommen und als einer von Hoffmanns Spießgesellen geblieben war. Es war sein verirrter Wurf vor all den Jahren gewesen, dem Cleo ihr Hinken verdankte. Er spuckte ihr seine Zigarette vor die Füßen und sagte: «Na, wenn das nicht die Zauberin Cleopatra Greenwood ist, die kommt, um ihre alten Freunde zu besuchen.»
    «Ich bin nicht aus Sentimentalität hier, sondern ich mache einen Ausflug mit meinem neuen Freund hier, der mir offenbar ein bisschen voraus ist.» Sie warf Unwin einen gespielt verärgerten Blick zu.
    «Und genau deshalb braucht ihr auch Eintrittskarten. Es kostet Geld, die Monstrositäten zu sehen.» Er lächelte wieder. «Aber das müsstest du eigentlich wissen, Cleo. Wie geht es dem Bein? Tut’s immer noch weh, wenn es regnet?»
    Sie trat ganz nahe an das Fenster. «Mein Gast ist ein Privatdetektiv von der Agentur», erläuterte sie. «Wir sind aus geschäftlichen Gründen hier. Ich glaube, ich kann ihn davon überzeugen, nicht allzu viel wahrzunehmen, wenn wir auf dem Gelände herumschlendern, aber dafür musst du nett zu ihm sein.»
    «Agentur?», fragte Brock. «Aber der Hut ist ganz falsch.»
    Miss Greenwood hob die Hand und legte sie an ihre Lippen, als wollte sie ihm etwas ins Ohr flüstern. Er beugte sich vor, fuhr dann zusammen und zückte seinen Dolch. Seine Augen wurden groß. Sie sagte etwas, das Unwin nicht hören konnte, Brocks Lider flatterten, und ihm fielen

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