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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wer ist der Nächste?»
    «Wir müssen den Zauberer finden», sagte Unwin.
    «Du hast einen Zauberer angestellt? Was kann der denn für Tricks?»
    «Alle möglichen», sagte Unwin.
    «Woher weißt du dann, dass du ihn noch nicht gefunden hast?»
    Unwin sah nach unten. Das Gesicht des Jungen hatte sich verändert. Jetzt war es breit und eckig, und die Augen hatten ein stumpfes Braun angenommen. Er hatte immer noch die Zigarre in seiner Hand, doch beide Ärmel waren aufgerollt, und der Mantel sah so aus, als wäre er ihm zu groß.
    Enoch Hoffmann grinste. «Siehst du?», fragte er. «Es könnte jeder sein.»

Beantworten Sie Fragen mit Fragen. Wenn man Sie beim Lügen erwischt, lügen Sie wieder. Sie müssen nicht die Wahrheit kennen, um jemand anderen dazu zu bringen, sie auszusprechen.
     
    Unwin wartete darauf, dass die Welt aufhörte zu schwanken, doch sie hörte nicht damit auf, weil die Welt ein Lastkahn war, und dieser Lastkahn lag draußen im kabbeligen Wasser der Bucht. Er versuchte nachzusehen, wie spät es war, doch seine Arme waren auf seinem Rücken gefesselt. Aber er brauchte sowieso keine Uhr, denn er war von Weckern umgeben – Bergen, nein, einem ganzen Gebirge tickender Zeitmesser. Auf einem Dutzend ihrer regenbespritzten Zifferblätter erkannte er die gleiche Zeit. Es war erst zehn vor acht.
    Zusammengerollt zu seinen Füßen lag Edwin Moore, immer noch gefesselt, immer noch schlafend. Bei diesem Licht konnte Unwin die dicke Beule auf der Stirn des alten Mannes erkennen. Aus dem heftigen Pochen seiner eigenen Stirn schloss er, dass seine eigene Beule es durchaus mit Moores aufnehmen konnte.
    Neben Moore lag der dickliche Leichnam von Detektiv Pith, dessen Anzug mit Wasser vollgesogen und blutbeflecktwar. Unwin warf nur einen kurzen Blick auf das aschgraue, hängebackige Gesicht über dem Fischgrätmuster und musste wegschauen.
    Unwins Hut saß immer noch auf seinem Kopf, und sein Schirm war über ihm aufgespannt und mit denselben Seilen festgebunden wie seine schmerzenden Arme. Er fragte sich, welcher der Rooks ihn wohl mit dieser freundlichen Geste bedacht hatte. Von den beiden Zwillingen war nirgendwo etwas zu sehen. Er konnte in keiner Richtung etwas anderes entdecken als riesige Weckerhaufen. Alle Wecker der Stadt, vielleicht auch seiner.
    «Wachen Sie auf», sagte er zu Moore. «Wachen Sie auf, hören Sie?»
    Er kroch wie eine Raupe auf ihn zu, bis seine Füße neben denen des anderen Mannes waren, und stieß ihn mit der Sohle an. «Wachen Sie auf!», rief er.
    «Pscht», sagte jemand hinter ihm. «Die Rooks werden Sie hören. Sie haben Glück, dass die lieber dabei zuschauen, wie ihre Opfer ertrinken.»
    Unwin erkannte Miss Greenwood an der Stimme. «Wie kommen
Sie
denn hierher?»
    Sie kniete hinter ihm und zerrte an seinen Fesseln. «Leichter als Sie», sagte sie. Sie griff in ihren Mantel, und als Unwin über seine Schulter blickte, sah er, dass sie einen Dolch hervorgezogen hatte. So ein Wurfmesser hatte auch Brock gehabt – wahrscheinlich handelte es sich um genau die Waffe, die damals, vor all den Jahren, während der Messerwerfernummer ihr Bein getroffen hatte.
    «Ich mag es nicht, wenn man mich ohne Schirm im Regen stehen lässt, Mr. Unwin.»
    «Die Elefanten auf dem Gelände», sagte er. «Um die müsste sich auch jemand kümmern.»
    Sie seufzte. «Caligari wäre wütend.»
    Unwin wartete und spitzte die Ohren. Er spürte die Kante der Klinge an seinem Rücken. Dann ein plötzlicher Druck, und die Fasern dröselten sich auf. Er hielt den Schirm über Miss Greenwood, während sie die Fesseln an seinen Fußgelenken durchschnitt. Als sie beide wieder standen, sagte sie: «Ich weiß, dass Sie kein Detektiv sind.»
    Ihm ging wieder die Passage aus dem
Handbuch
auf Seite sechsundneunzig durch den Kopf. Ohne gewisse Geheimnisse war er auf immer verloren. Doch war er nicht sowieso verloren? «Nein», gab er zu. «Ich bin kein Detektiv.»
    «Und auch kein Wächter. Etwas anderes, eine neue Art von Marionette. Ich weiß, dass Sie für ihn arbeiten. Ich weiß, dass er Sie geschickt hat, um mich zu verspotten.»
    «Für wen soll ich arbeiten?»
    Sie blickte ihn aus schmalen Augen an. «Die Schallplatte mit diesen Geräuschen. Sie haben keine Ahnung, wie das ist, Mr. Unwin. Dass er immer schon da ist und auf einen wartet. Und dass er einen durchschaut wie mit Röntgenaugen.»
    «Wessen Augen? Wovon reden Sie?»
    Sie starrte ihn an, konnte es offenbar immer noch nicht glauben. «Der Aufseher der

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