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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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mit langen Schnüren aus solide aussehendem Seil an Händen und Füßen gefesselt, und seine Uniform war schmutzig.
    Die Elefanten schienen das Interesse an Unwin verloren zu haben. Der jüngste kuschelte sich an den ältesten, während der andere den Rüssel wieder auf den Boden gelegt hatte.
    Unwin drückte die Klinke herunter und stellte fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Drinnen war die Luft warm, und es roch schwach nach Bratfett. Er stellte seinen Schirm neben der Tür ab und öffnete dann seinen Mantel, um die Kälte zu verscheuchen, die er schon den ganzen Morgen mit sich herumtrug. Auf dem Tisch lag ein Backgammonbrett, das jemand offenbar mitten im Spiel zurückgelassen hatte. Weiße und braune Spielsteine lagen in Zweier- und Dreierhäufchen zusammen, und die Augen auf den Würfeln zeigten, dass der letzte Wurf ein Doppeldreier gewesen war. Soweit Unwin sich mit dem Spiel auskannte, sah es so aus, als hätten sich die Spieler gegenseitig blockiert, indem sie sich Steine abgenommen und alle Fluchtwege gesperrt hatten.
    Unwin kniete neben Moore und schüttelte ihn. Der alte Schreiber murmelte im Schlaf, wachte jedoch nicht auf.
    Draußen war wieder Bewegung in die Elefanten gekommen; einer stieß ein beleidigtes Trompeten aus. Unwin lief zwischen den Betten hin und her, überlegte, ob er sich unter einem verstecken sollte, doch dabei stieß er mit dem Fuß gegen einen Blecheimer, der klappernd umfiel und in einem weiten Bogen Kohlebriketts über den Boden verteilte.
    Die Tür ging auf, und einer der Rooks kam ins Zimmer.Es war Jasper: linker Stiefel kleiner als der rechte. Er blickte Unwin an, dann den umgeworfenen Eimer, blinzelte einmal und schloss die Tür hinter sich. Er ging zum Grammophon und schaltete es aus.
    Unwin machte einen großen Schritt über die Briketts hinweg, wobei er auch noch einen Stapel Bücher umschmiss. Er murmelte eine Entschuldigung und begann sie aufzusammeln, wobei er den Kohlenstaub von den Einbänden wischen musste, bevor er sie wieder aufeinanderschichtete.
    Jasper griff in seinen Mantel, holte eine Taschenuhr heraus, schaute, wie spät es war, und steckte den Zeitmesser dann wieder weg. Als die Hand wieder aus der Tasche kam, lag eine Pistole darin. Selbst mit der Waffe in der Hand schien es Jasper nur am Rande zu interessieren, dass Unwin im Raum war.
    Unwin stellte die letzten beiden Bücher an ihren Platz zurück und stand auf. Er dachte an seine eigene Pistole, die immer noch in seiner Schreibtischschublade im Zimmer 2919 lag, doch er wusste, dass sie ihm sowieso nicht geholfen hätte. Pith hatte mit Sicherheit auch eine Waffe getragen, doch er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu ziehen.
    Reden Sie.
Das hatte er irgendwo im
Handbuch
gelesen.
Wenn alles verloren scheint, dann reden Sie einfach weiter. Die Leute töten nicht jemanden, der möglicherweise etwas Nützliches zu sagen hat.
    «Stimmt es?», fragte Unwin. «Siebzehn Jahre ohne eine Minute Schlaf?»
    Jaspers Gesicht war eine ausdruckslose Maske, seine grünen Augen wie Steine. Er hob die Pistole, zielte auf Unwins Herz.
    Wie würde sich der Schuss anfühlen? Wie bei einem Locher,dachte Unwin, wenn man einen kleinen Stapel Papier locht. Er machte einen Schritt in Richtung Waffe und sagte: «Es gibt eine Müdigkeit jenseits der Müdigkeit. Alles kommt einem vor wie im Traum.» Er blickte auf die beiden genau gleichen Betten. «Wann habt ihr euch denn wenigstens mal die Mühe gegeben, es zu versuchen?»
    Jasper blinzelte wieder, und Unwin wartete auf den Schuss.
    Er kam nicht. «Ich frage mich, wie das passiert ist», sagte Unwin. «Wolltet ihr überhaupt diese Operation? Oder war es Hoffmanns Idee? Er brauchte euch zwei an verschiedenen Orten zur gleichen Zeit, nehme ich an. Aber er wusste gar nicht, was er da alles voneinander trennte. Ihr wart schon von Anfang an keine zwei vollständigen Menschen. Es gab eine Zeit, in der ihr euch gegenseitig in eure Träume schauen und die Gedanken des anderen hören konntet. Aber es waren in Wirklichkeit dieselben Träume, dieselben Gedanken.»
    Er stellte jetzt Mutmaßungen an, indem er sich ausmalte, welche Rolle sie wohl anfangs in Caligaris Zirkus gespielt hatten: jene Jungen, die Cleo Greenwood beschrieben hatte, die, in einen einzigen riesigen Mantel gehüllt, auf einem doppelten Hocker saßen und die man in die Manege gebracht hatte, damit sie etwas sangen, ein Duett vielleicht. Er musste der Wahrheit sehr nahe gekommen sein, denn Jasper ließ

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