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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Träume infiltriert und uns im Schlaf zu Agenten gemacht haben? Vielleicht haben wir die Kalender ja selbst abgeändert.»
    Moore runzelte die Stirn, und seine Lippen verschwanden in seinem Bart. «Er kennt die Technik der Traumüberwachung.Das Geheimnis ist schon vor Jahren zu ihm durchgesickert – wahrscheinlich das Werk eines Doppelagenten. Und er hat wesentlich mehr Macht als irgendeiner der Wächter, weil er mit seinen meisterlichen Fähigkeiten im Tarnen und Bauchreden seine Spuren sofort verwischen kann, wenn er sich von einem Traum zum anderen bewegt. Doch wie er uns die närrische Idee eingepflanzt haben könnte, uns selbst einen Tag zu stehlen – das kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn er es einmal getan hätte, hätte er es dann nicht wieder versucht? Warum sollte er sich mit einem Tag zufriedengeben, wenn er uns so viel mehr rauben könnte? Seine Schläfer-Agenten könnten jede Nacht sein Werk tun.»
    «Gestern Nacht wurden die Wecker von einer Bande Schlafwandler gestohlen», sagte Unwin. «Ich habe aus jedem Gebäude, an dem wir vorbeikamen, ein oder zwei Leute laufen sehen – die müssen in jede Wohnung eingebrochen sein und die Wecker mitgenommen haben. Sie dachten, sie würden auf eine Party gehen, um zu zechen und zu spielen, doch in Wirklichkeit haben sie ihre Beute bei den Rooks abgeliefert. Miss Greenwood war da, sang für sie, und Detektiv Pith wurde erschossen, weil er die ganze Sache aufgedeckt hatte.»
    Moore schüttelte den Kopf. «Dann fehlt da aber etwas. Irgendein Werkzeug, das der Gegner sich angeeignet hat. Es wird zu einer Schlacht kommen. Zur letzten vielleicht, in einem langen und stillen Krieg. Ich begreife nicht, was die Manöver zu bedeuten haben, ich weiß nur, was auf dem Spiel steht. Hoffmanns Rachegelüste sind in den Jahren seit seiner Niederlage am zwölften November gewachsen. Die Spielhöllen, die Schutzgelderpressungen, die Schwarzmärkte – sie alle sind immer ein Mittel zum Zweck gewesen, ein Netzwerk,das ihm in den langen Jahren seiner Vorbereitung dienlich sein konnte. Sein eigentliches Ziel ist die Auflösung der Grenze zwischen dem Vernunftdenken der Stadt und dem gewaltsamen Delirium seiner wahnwitzigen Träume. Seine ideale Welt ist der Zirkus, in dem alles Illusion ist und alles fließt. Wenn es nach ihm ginge, wären wir alle Schmetterlinge, die davon träumen, Menschen zu sein. Nur die strikte Befolgung der Regeln von Ordnung und Vernunft durch die Agentur haben ihn bislang in Schach gehalten. Ihre Arbeit, Mr. Unwin, und meine.»
    Von Norden her kamen jetzt Verkehrsgeräusche; die Stadt erwachte. Unwins Kleidung war zerrissen und blutbespritzt. Wie viele Leute hatten mittlerweile wohl sein Bild in der Zeitung gesehen? Es würde nicht leicht für ihn sein, sich zu rechtfertigen, dachte er, wenn man ihn mit dem Blut eines anderen Menschen an den Händen erwischte. Er fragte sich, ob es in der Nähe wohl eine U-Bahn-Station gab, eine mit Zugang zum Achter-Zug.
    «Mittlerweile haben Sie sicher gemerkt, dass Ihre Suche nach Sivart hoffnungslos ist», sagte Moore. «Sehr wahrscheinlich ist er tot.»
    «Er hat mit mir Kontakt aufgenommen», sagte Unwin.
    «Was? Wie?»
    «Er ist mir vor zwei Nächten im Schlaf erschienen. Und noch einmal, glaube ich, letzte Nacht. Er hat mir das von Kapitel achtzehn gesagt.»
    «Unmöglich. Sivart weiß nichts über Trauminfiltration. Keiner der Detektive; sie alle haben die bereinigte Fassung des
Handbuches
bekommen, genauso wie Sie.»
    «Aber die Wächter …»
    «Die Wächter geben niemals die wirkliche Quelle ihres Wissens preis. Sie wird als Information getarnt, die von gewöhnlichenInformanten gesammelt wurde. Das ist das übliche Vorgehen. Alles steht in den Statuten der Agentur; natürlich in der ungekürzten Fassung.»
    «Dann hat es ihm jemand gesagt. Zlatari hat ihn im
Letzten Nickerchen
lesen sehen, kurz bevor er verschwand. Das muss eine komplette Version des
Handbuchs
gewesen sein.»
    «Wer hätte ihm die gegeben?»
    «Dieselbe Person, die Ihnen den Goldzahn im Mund des ältesten Mordopfers der Welt gezeigt hat», sagte Unwin. Er blieb stehen und packte Moore an der Schulter. «Ich dachte, Sie seien bloß vergesslich gewesen, als Sie sagten, Sie hätten von ihr geträumt. Aber vielleicht ist das alles ja in Ihrem Schlaf passiert.»
    Plötzlich wirkte Moore sehr benommen. Er schloss die Lider, und Unwin sah, wie die Augäpfel darunter hin und her flitzten. «Es war Cleopatra Greenwood, glaube ich.»
    «Sind Sie

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