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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wie ein Kind ein Geburtstagsgeschenk auswickelt. Ich war eine Gefahr für die Agentur, ob ich nun loyal war oder nicht.»
    «Der Aufseher hat Ihnen gedroht?»
    «Das musste er gar nicht.»
    «Also sind Sie gegangen. Haben sich dazu gezwungen, zu vergessen.»
    «Es war leichter, als Sie vielleicht annehmen. Ich war der allererste Schreiber der Agentur gewesen. Und ich war jahrelang der einzige. Ich hatte eine Art Gedächtnistraining entwickelt, um mir all die Informationen, die man mir anvertraut hatte, zu merken. Gedächtnispaläste, Archive des Geistes. Es waren Konstrukte; ich spürte deutlich ihr Gewicht in meinem Kopf. Schon lange hatten die tragenden Teile begonnen, zu ächzen und sich zu biegen. Ich musste nur ein oder zwei Ziegelsteine lockern, dann brach das Ganze in sich zusammen.» Moore beugte sich vor und sagte zum Fahrer: «Sie da, können Sie ein bisschen schneller fahren?»
    Unwin spähte durchs Fenster. Die Straßen waren nicht besonders voll, doch trotz Moores nachdrücklicher Aufforderung hielt der Fahrer sein Tempo, blieb immer nur auf einer Spur und beschleunigte nicht einmal an einer Ampel, die gerade auf Gelb sprang.
    Moore ließ sich in seinen Sitz zurücksinken und schüttelte den Kopf. «Ich kann nicht so tun, als würde ich verstehen, was für eine Rolle Sie bei der Sache spielen, Mr. Unwin. Aber ich glaube, wer auch immer Sie auf diesen Fall angesetzt hat, hat es getan, weil Sie so wenig wissen. Wie wäre es sonst zu erklären? Der Gegner würde gar nicht auf die Idee kommen, Sie für wichtig zu halten, selbst wenn er jeden Winkel Ihres Denkens absuchen würde.»
    «Das ändert sich aber gerade.»
    Moore nickte. «Sie kennen die Gefahren, aber die Gefahren kennen auch Sie. Wir müssen jetzt schnell handeln. Unsere Ermittlungen hängen davon ab.»
    Ermittlungen
: Das war genau das Wort, das Unwin die ganze Zeit hatte vermeiden wollen. Wie lange machte er eigentlich schon Detektivarbeit, ohne es zu beabsichtigen? Seit er die Schallplatte aus Lamechs Büro gestohlen hatte. Oder noch länger: seit er zum erstenmal die Frau im karierten Mantel beschattet hatte.
    «Es gibt da ein Beweisstück», sagte Unwin. «Eine Plattenaufnahme. Ich habe sie abgespielt, aber ich verstehe nicht, was darauf ist – nur ein paar verzerrte Geräusche. Ich glaube, Lamech wollte sie mir geben, bevor er umgebracht wurde.»
    Moores Züge verfinsterten sich. «Sie muss aus den Archiven der Agentur stammen. Dort hat der Aufseher an neuen Methoden experimentiert. Sie müssen die Schallplatte dort hinbringen, wenn Sie wissen wollen, worum es sich handelt.»
    Moore unterbrach sich und drehte sich zur Seite, um mit seinem Ärmel die Kondenströpfchen an der Scheibe abzuwischen. Stirnrunzelnd blickte er auf die Straße hinaus. Auch Unwin erkannte das Problem: Ihr Fahrer fuhr indie falsche Richtung. Wo brachte der Mann sie hin? Vielleicht war ja eine Belohnung auf Unwins Ergreifung ausgesetzt, und der Taxifahrer wollte sie sich nicht entgehen lassen.
    «Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie hier eine Stadtrundfahrt machen», sagte Moore. «Links, Mann. Biegen Sie links ab!»
    Der Fahrer bog rechts ab. Am nächsten Block sahen sie ein Auto, das von der Straße abgekommen und gegen einen Hydranten gefahren war. Wasser schoss in hohem Bogen in die Luft, ergoss sich über das Fahrzeug und überflutete den Rinnstein und einen Teil der Straße. Ein Mann im Anzug saß auf dem eingedrückten Kühler, kratzte sich am Kopf und versuchte zu reden, doch sein Mund füllte sich immer wieder mit Wasser, weshalb er nur gurgeln und spucken konnte. Die Passanten schauten ihn nicht einmal an.
    «Das ist ein Skandal», sagte Moore. «Hat denn jemand die Behörden benachrichtigt? Sie da», sagte er zu dem Fahrer. «Rufen Sie über Funk die Polizei, hören Sie?»
    Der Taxifahrer beachtete ihn gar nicht und fuhr langsam am Unfallort vorbei. Moores Gesicht lief rot an, und die Prellung an seiner Stirn wurde dunkelviolett. Vor Wut fehlten ihm offenbar die Worte.
    Ein Polizeiwagen parkte an der nächsten Ecke. Moore kurbelte sein Fenster herunter, und Unwin ließ sich tiefer in den Sitz sinken, während der alte Mann in den Regen schrie: «Herr Wachtmeister! Wachtmeister!»
    Die Fahrertür stand offen. Hinter dem Steuer, die Füße auf dem Armaturenbrett, saß ein etwa zwölf- oder dreizehnjähriges Mädchen in Schuluniform, das mit einem Gummiknüppel in seiner Linken spielte. Auf dem Rücksitz lagen sieben oder acht Personen gefesselt, und so

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