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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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saß eine Frau, umgeben von Zettelkatalogen. Sie war jünger als Unwin, aber älter als Emily, hatte glattes braunes Haar und einen breiten Mund, der zu einem Ausdruck der Missbilligung verzogen war. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und schenkte seinem Hut besondere Aufmerksamkeit.
    «Sie sind kein Unterschreiber», sagte sie.
    «Bitte um Entschuldigung», sagte Unwin. «Ich hatte auch nicht vor, sie zu täuschen. Ich bin Schreiber aus dem vierzehnten Stock.»
    Jetzt begannen die Unterschreiber alle durcheinander zu schnattern. «Schreiber!», staunten sie, und: «Vierzehnter Stock!» Das Gezeter hörte erst auf, als die Frau sie mit einer Handbewegung zum Verstummen brachte.
    «Nein», sagte Unwin kopfschüttelnd. «Genauer gesagt,
war
ich Schreiber. Ich habe mich selbst noch kaum an die Veränderung gewöhnt. Ich bin erst gestern zum Detektiv befördert worden. Und jetzt bin ich hier in einer detektivischen Angelegenheit.» Er zeigte ihr seine Dienstmarke.
    Wieder begannen die Unterschreiber zu tuscheln, und ihre Stimmen wurden immer schriller, während sie an ihren Hüten herumzerrten und sie fast entzweirissen. «Detektiv!», riefen sie, und einer von ihnen jammerte: «Was ist denn ein Detektiv?»
    «Ruhe!», schrie die Frau. Sie schaute Unwin finster an. «Das ist höchst ungewöhnlich. Sie kommen besser herein.»
    Sie öffnete eine Tür neben ihrem Schalter und bat Unwin hinein. Einige Unterschreiber machten Anstalten, ihm zufolgen, doch die Frau schloss blitzschnell die Tür, bevor noch jemand hineinschlüpfen konnte. Dann ließ sie auch den grünen Rollladen vor ihrem Fenster herab. Unwin hörte immer noch die flehentlichen Fragen der Unterschreiber draußen. «Was ist ein Detektiv?», wollten sie wissen, und dann: «Was ist
befördert?»
Die wenigen in der Nähe des Schalters kratzten mit den Fingernägeln am Rollladen; einer war sogar so tollkühn, an das Fenster zu klopfen.
    Jetzt erst sah Unwin, dass die Zettelkataloge im Kabuff Miniaturausgaben des eigentlichen Archivs waren. Jede Hängedatei draußen hatte ihr Gegenstück im Kabuff; selbst die acht Säulen wurden durch acht frei stehende Pfeiler abgebildet. Das erklärte das Fehlen von Verweisen auf den Inhalt oder einer Katalogisierung im eigentlichen Archiv. Der einzige Schlüssel zum System befand sich hier.
    Die Frau langte unter den Schreibtisch, holte einen Flachmann aus seinem Versteck und stellte zwei Zinnbecher auf den Tisch. Sie goss in jeden ein wenig braune Flüssigkeit und drückte Unwin einen Becher in die Hand. Er trank. Ob nun aus einem Flachmann oder nicht, Unwin war es nicht gewöhnt, unverdünnten Whiskey zu trinken. Und obwohl er es gar nicht unangenehm fand, war jeder Schluck eine stechend scharfe Überraschung auf seiner Zunge.
    Bei den Unterschreibern war es still geworden. Entweder hatten sie sich zerstreut, oder sie waren sich einig geworden, still zu sein und zu lauschen.
    «Sie müssen ihnen verzeihen», sagte die Frau. «Sie hatten eine sehr anstrengende Woche. Die hatten wir alle.» Sie streckte ihm die Hand hin. Ihre Handfläche fühlte sich kühl und trocken an wie Papier. «Eleanor Benjamin», sagte sie. «Hauptschreiberin, Abteilung Rätsel.»
    «Charles Unwin, Detektiv.»
    «Und, wie ich vermute, der Grund, warum ich meine beste Mitarbeiterin gestern an den vierzehnten Stock verloren habe. Jemanden von einer Abteilung in die andere zu befördern, ist untypisch. Zwei Leute auf einmal zu befördern, ist absurd. Ich fürchte, wir sind momentan alle ein bisschen durch den Wind.»
    «Die Frau, die meinen Platz eingenommen hat, hat früher bei Ihnen gearbeitet?», fragte Unwin.
    «Ja», sagte Miss Benjamin. «Sie war gerade mal zwei Monate dabei und schon jetzt die beste Unterschreiberin, die ich je hatte.»
    Das war eine Überraschung, die ihn noch mehr durchschüttelte als der Whiskey. Die Frau im karierten Mantel, die Tochter von Cleo Greenwood, hatte schon lange, bevor Unwin sie am Central Terminal gesehen hatte, begonnen, in der Agentur zu arbeiten. Offenbar hatte sie ihre Zeit genutzt und eine ungekürzte Fassung des
Handbuchs
an sich gebracht. Aber was hatte sie sonst noch getan?
    «Ich weiß überhaupt nicht, was ich ohne sie machen soll», fuhr Miss Benjamin fort. «Sie ging ihre Arbeit so ruhig an, dass sie damit auch allen anderen diese Ruhe vermittelte. Ich bin mir sicher, irgendwann wird eines dieser alten Plappermäuler da draußen von seiner Leiter fallen. Und sie haben noch nicht einmal einen Nachfolger für

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