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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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haben keine Freude mehr an ihrer Berufung. Aber sie hat doch etwas Gutes, finden Sie nicht? Sehen und hören Sie – die Nacht, das Plätschern des Regens … Wir bewegen uns ungesehen durch die Dunkelheit, durch Gässchen und Nebenstraßen. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich zu sehr in diesen Einzelheiten verliere, Mr. Unwin. Vieles ist sehr schnell geschehen, und ich versuche es auf unserem Weg aufzuarbeiten.»
    Jetzt schob sich der Mond hinter den Wolken hervor, und Lamech sah mit einem kleinen Lächeln zu ihm auf. Dann war der Mond wieder verschwunden, und Lamech zog seinen Mantel enger um seinen Körper. «Miss Palsgraves Maschine im dritten Archiv ist ein Wunder – wir sagen ihr Bescheid, wenn wir kurz vor etwas Entscheidendem stehen, etwas, das wir vielleicht dokumentieren müssen, und dann stellt sie sie auf die richtige Frequenz ein. Sie kann sich sogar selbst bei Ihnen einklinken und Ihnen von einem Träumer zum nächsten folgen. In Wahrheit ist das einer der wenigen Vorteile, die wir Hoffmann gegenüber haben: die Fähigkeit, aufzuzeichnen, nachzuprüfen, zuzuordnen, zu vergleichen. Wir wissen nicht immer, was er im Schilde führt, aber wir können Hoffmann‘sche Denkmuster in den Traumprotokollen der Stadt wiedererkennen und dann in Aktion treten, um ihm bei seinem nächsten Schachzug das Handwerk zu legen. Diese Aufnahme», sagte er, «könnte sich als besonders wertvoll herausstellen, und außerdem mehr als nur ein wenig gefährlich – für Sie ebenso wie für mich, fürchte ich.»
    Im Schatten eines Müllhaufens gelangten sie zu einer schäbigen Tür, von deren abgewetztem Holz der blaue Lackabplatzte. Lamech legte sein Ohr daran und lauschte. «Hier sind wir», sagte er.
    Er öffnete die Tür, und helles Licht fiel auf die Gasse, übergoss die nassen Backsteine mit einem goldenen Schein. Über Lamechs Schulter hinweg erblickte Unwin das Unmögliche: einen breiten Strand, dahinter das Meer, tief und grenzenlos, und die Sonne, die hoch und hell mitten am Himmel stand. Er folgte Lamech auf den Sand hinaus. Auf dieser Seite bildete die Tür den Eingang zu einem wackeligen Strandhäuschen.
    Die Hitze war schrecklich. Unwin nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Während sie auf das Wasser zustapften, hielt er den Schirm immer noch über den Kopf, um sich gegen die Sonne zu schützen.
    Dort, wo sich am Ufer die Wellen brachen, lag ein Haufen glatter schwarzer Steine. An ihn gelehnt saß eine rundliche Frau in einem gerüschten blauen Badeanzug und schaute aufs Meer hinaus. Als sie Lamech auf sich zukommen sah, drehte sie sich um und winkte ihm zu. Sie trug eine Kette aus nicht ganz neu wirkenden Perlen um den Hals, und ein paar graue Haarsträhnen lugten unter ihrer weißen Badekappe hervor.
    «Edward», sagte sie. «Wann kommst du nach Hause? Ich hab, während ich auf dich wartete, das Silber geputzt. Zwei Mal. Du weißt doch, wie sehr mich das ermüdet, wenn ich Silber putze. Hast du wieder mal dein Telefon ausgestöpselt?»
    Unwin erinnerte sich an den gezogenen Stecker auf Lamechs Schreibtisch. Also war der Wächter selbst dafür verantwortlich gewesen. Er hatte sichergehen wollen, dass ihn nichts und niemand während der Aufnahme weckte.
    Lamech nahm den Hut ab und beugte sich hinunter, umder Frau auf die Wange zu küssen. «Heute ist es spät geworden», sagte er.
    «Kannst du dir denn keine Arbeit mit nach Hause bringen?», fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. «Ich bin nur gekommen, um dir gute Nacht zu sagen.»
    Sie schaute aufs Meer hinaus, und auf ihrem Gesicht lag ein leicht verärgerter Ausdruck. Ihre Wangen waren von der Sonne und vom Wind gerötet. «Das Komische ist», sagte sie, «ich weiß nicht einmal, ob das der wirkliche Edward ist, mit dem ich gerade spreche. Ich habe es mir so schrecklich gewünscht, dich zu sehen, dass ich mir das vielleicht alles nur erträumt habe.»
    «Nein, mein kleiner Marienkäfer, ich bin’s wirklich. Ich habe nur einen Termin, das ist alles.»
    «Marienkäfer?», wiederholte sie. «So hast du mich schon seit Jahren nicht mehr genannt.»
    Lamech blickte auf seine Füße und klopfte sich mit dem Hut leicht ans Bein. «Nun, ich hab eine Menge über die alten Zeiten nachgedacht. Du weißt schon, ein junges Paar in der großen Stadt, das den ganzen Tag eine schlecht bezahlte Arbeit macht, abends im Wohnzimmer zu Radiomusik tanzt, oder in der Bar an der Ecke noch einen trinken geht. Wie hieß die Kneipe gleich noch mal? Larry’s?

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