Handyman Jack 01 - Die Gruft
wahrscheinlich entweder in der Botschaft oder bei den Vereinten Nationen zu finden war. Es war Jack auch gelungen, ihr die Adresse der Wohnung zu entlocken. Die brauchte er vielleicht später. Dann rief er in der indischen Botschaft an und erfuhr dort, dass Mr. Bahkti sich wohl den ganzen Tag bei den Vereinten Nationen aufhalten werde.
Und so stand er jetzt in der Schlange vor dem Gebäude der Vollversammlung und wartete auf den Beginn der Führung. Die Morgensonne brannte auf dem Sonnenbrand auf Nase und Armen, den er sich gestern beim Tennis in Jersey geholt hatte. Sein Wissen über die Vereinten Nationen war bestenfalls lückenhaft. Die meisten Leute, die er in Manhattan kannte, waren nie hier gewesen, wenn sie nicht gerade einem Freund oder Verwandten auf Besuch das Gebäude zeigen mussten.
Er trug eine Sonnenbrille, ein dunkelblaues Poloshirt, das er bis zum Hals zugeknöpft hatte, einen »I LOVE NY«-Sticker am Kragen, hellblaue Bermudashorts, kniehohe schwarze Socken und Sandalen. Um den Hals hatte er sich eine Kodak-Sofortbildkamera und ein Fernglas gehängt. Er wollte wie ein Tourist aussehen und das gelang ihm vorzüglich.
Das Sekretariatsgebäude, das wie ein Mausoleum wirkte, war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Es war von einem eisernen Zaun umgeben und an allen Eingängen wurden die Personalien überprüft. Im Gebäude der Generalversammlung wurden die Personen mithilfe von Metalldetektoren überprüft, wie auf einem Flughafen. Jack entschloss sich widerstrebend, für heute ausnahmsweise ein unbewaffneter Tourist zu sein.
Die Führung begann. Während sie durch die Hallen stiefelten, trug der Führer ihnen einen kurzen Abriss der Geschichte und eine stolze Liste der Errungenschaften und der zukünftigen Ziele der Vereinten Nationen vor. Jack hörte nur mit einem Ohr zu. Ihm fiel eine Bemerkung ein, die er einmal gehört hatte: Wenn man alle Diplomaten rauswürfe, könnte man die Vereinten Nationen in das beste Bordell der Welt umfunktionieren und würde damit genauso viel, wenn nicht noch mehr, für die Völkerverständigung tun.
Die Führung verhalf ihm zu einer ungefähren Vorstellung vom Aufbau des Gebäudes. Es gab öffentliche Bereiche und Bereiche, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hatte. Jack vermutete, seine Zielperson am ehesten zu finden, wenn er sich auf die Besuchergalerie der Vollversammlung setzte, die aufgrund einer akuten internationalen Krise den ganzen Tag über tagte. Kurz nachdem er Platz genommen hatte, erfuhr Jack, dass die Inder direkt in die verhandelte Angelegenheit involviert waren. Es ging um Grenzkonflikte an der indisch-chinesischen Grenze. Indien warf China militärische Übergriffe vor.
Er ließ endlose Diskussionen über sich ergehen, die er bestimmt schon tausendmal gehört hatte. Jedes mickrige kleine Land – von den meisten davon hatte er noch nie gehört – hatte etwas zu sagen und meistens war das genau das Gleiche wie das, was das mickrige kleine Land davor gesagt hatte. Jack schaltete schließlich den Kopfhörer ab. Aber er richtete sein Fernglas weiter auf das Areal um den Tisch der indischen Delegation. Bisher hatte er Kusum noch nicht gesehen.
Er war gerade dabei einzunicken, als Kusum schließlich auftauchte. Er schritt mit eindrucksvollem geschäftsmäßigen Gebaren herein und reichte dem Chefunterhändler einen Aktenordner, dann setzte er sich auf einen der Stühle im Hintergrund.
Jack war sofort wieder wach und beobachtete ihn genau durch sein Fernglas. Kusum wechselte ein paar Worte mit den anderen Diplomaten, die um ihn herum saßen, hielt sich aber ansonsten von den anderen fern. Er schien abgelenkt und unkonzentriert, fast als stände er unter Stress. Er rutschte auf dem Stuhl herum, schlug nervös seine Beine übereinander, trommelte mit den Füßen auf den Boden und sah wiederholt auf die Uhr; das Bild eines Mannes, den etwas anderes beschäftigt, der irgendwo anders sein will.
Jack war gespannt, was das wohl sein mochte.
Er ließ Kusum in der Vollversammlung sitzen und ging auf die UN-Plaza hinaus. Eine kurze Erkundung verriet ihm, wo sich der Diplomatenparkplatz vor dem Sekretariat befand. Jack prägte sich das Bild der indischen Flagge ein, dann suchte er sich einen schattigen Platz auf der anderen Straßenseite, von wo aus er einen guten Blick auf die Parkplatzausfahrt hatte.
3
Er musste den größten Teil des Nachmittags warten. Jack brannten die Augen, nachdem er stundenlang auf den Diplomatenparkplatz
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