Handyman Jack 02 - Der Spezialist
angefordert, doch er wagte es nicht, weitere Personen in diese Angelegenheit einzuweihen. Die Situation war zu delikat.
Er beobachtete, wie Jack das Haus betrat. Yoshio war verzweifelt. Und verzweifelte Situationen erforderten manchmal verzweifelte Maßnahmen …
2
»Ich denke, wir fahren zur West Side, nehmen die Saw Mill, überqueren den Tappan Zee und versuchen unser Glück mit der Schnellstraße«, sagte Jack, während er den Taurus anließ. Die Uhr im Armaturenbrett zeigte 10:33. Der morgendliche Berufsverkehr müßte sich allmählich aufgelöst haben. »Es sei denn, Sie kennen einen besseren Weg.«
Alicia zuckte die Achseln. »Mir ist es gleich, Hauptsache, wir kommen so schnell wie möglich hin.«
Jack musterte sie von der Seite. Er hatte sie noch nie für einen besonders fröhlichen Menschen gehalten, aber an diesem Morgen kam sie ihm niedergeschlagener und trübsinniger als sonst vor.
»Ist mit Ihnen alles okay?« erkundigte er sich.
»Ja-ja«, erwiderte sie mit einem übertrieben heftigen Kopfnicken. »Mir geht es gut. Es ist nur …« Sie brach mitten im Satz ab.
»Was ist nur?«
Sie seufzte. »Es tut mir leid, daß Sie mir gestern zuhören mußten. Das gehörte eigentlich nicht zu Ihrem Auftrag.«
Wem sagen Sie das, dachte er, erklärte jedoch: »Das macht nichts. Machen Sie sich deswegen nur nicht verrückt.«
»Es ist nur so – es geht mir immer wieder durch den Kopf. Ich habe zu viele Jahre damit verbracht, nicht an diese Bilder zu denken, oder zumindest mühsam zu versuchen, es nicht zu tun. Ich habe das kleine Mädchen und alles, was es erlebt hat, in einer Art innerem Safe eingeschlossen, aber sosehr ich mich auch bemüht habe, ich konnte es nicht vergessen. Zu wissen, daß diese Bilder existierten und daß ich von einem schmierigen Perversen zum anderen wanderte, machte mich regelrecht krank. Ich wollte verdammt sein, wenn mich das in irgendeiner Art abstempeln sollte, aber es hat mich Tag und Nacht verfolgt. Es war sozusagen der schmutzige, kranke Hintergrund meines Alltags. Aber nach all den Jahren war es gestern das erste Mal, daß ich mich darüber äußern konnte. Und ich weiß, daß ich Ihnen damit einiges Unbehagen bereitet habe.«
»Nun … ja …«
Sexueller Mißbrauch eines Kindes … sich so etwas von einem Opfer schildern zu lassen … daß er sich dabei unbehaglich fühlte, war als Beschreibung viel zu schwach für die Qual und die Wut, die er dabei empfand.
»Aber Sie müssen verstehen, Jack, daß ich bis zu diesem Moment einfach nicht fähig gewesen bin, mich zu jemand anderem über diese Dinge zu äußern. Ich hatte niemals enge, intime Freunde oder Freundinnen, denn ich glaubte immer, daß ich ihnen nicht ehrlich gegenübertreten konnte. Um die Wahrheit zu sagen, ich konnte es nicht ertragen, wenn sie von ihren Eltern erzählten, vor allem von ihren Vätern, die offenbar etwas ganz Besonderes für sie darstellten. Jedesmal, wenn ich hörte, wie jemand voller Liebe von seinem ›Daddy‹ sprach, hätte ich laut schreien können. Selbst jetzt, wenn ich mir vorstelle, daß dieses Fleisch zur Hälfte von ihm stammt, möchte ich es mir am liebsten von den Knochen reißen. Ich frage mich immer wieder, warum ich nicht so einen Vater haben konnte, wie sie, einen, der mich umsorgt und bereitwillig sein Leben hingegeben hätte, um mich zu beschützen? Aber Sie haben die Bilder gesehen, Jack …«
»Einige«, sagte er schnell. »Es waren nur ein paar wenige.«
»Auch nur eins war schon genug. Es bedeutete, daß Sie Bescheid wußten. Und alles, was ich zurückgehalten habe, brach plötzlich hervor. Wie ich schon sagte, es tut mir leid.«
»Und wie ich darauf erwiderte, es ist okay. Ich hoffe, es hat Ihnen geholfen.«
»Das hat es. Für eine Weile. Für ein paar Momente gestern abend, als die Negative durch den Reißwolf gingen, und später, als die Kollektion ins Feuer flog, habe ich mich frei gefühlt. Es war eine … wunderbare Empfindung. Aber Thomas’ Hinweis auf das Internet hat mich in die Wirklichkeit zurückgeholt. Ich erkenne jetzt, daß ich niemals richtig frei sein werde.«
»Niemals ist eine lange Zeit«, sagte Jack und schämte sich sofort wegen dieser abgedroschenen Bemerkung, aber er wußte nicht, was er sonst hätte erwidern sollen. Er war kein Seelenarzt, und er wußte nicht, wie er Alicia davon abhalten konnte, sich dorthin zu bewegen, wohin sie offenbar unterwegs war.
»Nun, solange Exemplare dieser Fotos in den Netzwerken der Pädophilen zirkulieren,
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