Handyman Jack 03 - Im Kreis der Verschwörer
nicht.«
»Hör endlich auf«, sagte sie und boxte spielerisch gegen seine Brust. »Wir sind anders als sie, weil wir uns nicht intensiv damit beschäftigen. Die schrecklichen Vorfälle haben stattgefunden, wir waren darin verwickelt, und wir haben alles hinter uns gelassen – glaub mir, ich gebe mir alle Mühe, es zu vergessen. Aber diese Leute machen so etwas zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie fügen es in ihre allgemeine Weltsicht mit ein.«
»Ja. Aber könnte jemand so etwas wollen? Ist die Realität nicht schon kompliziert genug?«
»Vielleicht ist genau dies das Problem«, sagte Gia. »Die meiste Zeit finde ich die Realität zu kompliziert. Etwas geschieht wegen diesem, etwas anderes geschieht wegen jenem, und etwas Drittes geschieht wegen einer Kombination aus beidem.«
»Und oft genug«, fügte Jack hinzu, »geschehen Dinge aus keinem klar ersichtlichen Grund.«
»Genau. Aber eine allumfassende Verschwörung vereinfacht all das. Du brauchst keine Fragen mehr zu stellen. Du brauchst die Teile nicht mehr zusammenzufügen – du hast dir alles bequem zurechtgelegt. Alle anderen mögen nach wie vor im Dunkeln tappen, aber du kennst die Wahrheit.«
»Wenn man es sich recht überlegt, wirken viele dieser SESOUP-Leute ziemlich arrogant.« Jack seufzte. »Aber trotz allem, was du gesagt hast, einige von ihnen erinnern mich beinahe an… mich selbst.«
»Hör auf.«
»Ich meine es ernst. Überleg doch mal: Sie blicken ständig über die Schulter, und ich tue das auch.«
»Aus gutem Grund.«
»Ich bin noch nicht fertig: Sie neigen dazu, Einzelgänger zu sein. Bis ich dich kennen lernte, war auch ich ein Einzelganger – und das schon ewig. Sie sind Außenseiter, ich bin Außenseiter.«
»Und wie weit draußen du bist.«
»Sie werden von der normalen Gesellschaft als Verrückte angesehen, und ich lande in der Anstalt, sobald die Gesellschaft von meiner Existenz erfährt. Ganz im Ernst, obgleich ich immer schön den Mund halte, woher weiß ich, dass ich nicht genauso bin wie sie, oder« – er deutete mit Daumen und Zeigefinger einen winzigen Abstand an – »nur so weit davon entfernt, so zu sein wie sie?«
»Weil ich sage, dass du es nicht bist«, entschied Gia und küsste ihn.
Wenn das so einfach wäre, dachte er, schloss die Augen und drückte sie an sich. Er brauchte ihre Wärme, ihre Gegenwart, ihre Existenz. Gia war seine Verbindung zur Realität, zum Normalen. Ohne sie und Vicky, wer wusste schon, welchen wilden Ufern er entgegensegeln würde?
Er betrachtete noch einmal die geröteten diagonalen Striemen seiner Narben, und plötzlich erschien vor ihm das Bild Romas während der Cocktailparty am Vorabend, als er mit seinen drei mittleren Fingern, die gekrümmt waren wie Rakoshi-Klauen, vor Jacks Körper genau parallel zu den Narben durch die Luft gefahren war.
»Was ist los?«, fragte Gia, als Jacks Wirbelsäule sich merklich versteifte.
»Nichts«, sagte er. »Nur ein kleiner Muskelkrampf.«
Er drückte sie dicht an sich, damit sie seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er wusste, er würde seinen Schock, seine Verblüffung verraten.
Wusste Roma Bescheid? Was hatte er gesagt?
Wie leicht wir doch vergessen.
Aber Jack hatte nicht vergessen. Und das konnte Roma unmöglich wissen.
Warum hatte er dann diese seltsame dreiklauige Geste ausgeführt, und zwar genau im richtigen Winkel? Jack wusste nicht, wie er das anders interpretieren sollte. Roma weiß Bescheid. Aber wie?
Jack hatte keine Ahnung, doch er würde es herausfinden.
Aber wenn Roma von den Rakoshi-Narben wusste, wusste er dann auch von Gia und Vicky? War es möglich, dass er Jack hierher gefolgt war?
Er griff an Gia vorbei und drehte den Warmwasserhahn ein Stück weiter auf. Die Temperatur in der Duschkabine schien um einige Grad gesunken zu sein.
8
Nachdem er mit Gia verabredet hatte, dass er Vicky am Nachmittag eine Baseballstunde geben würde, kehrte Jack ins Hotel zurück. Während er das Gebäude betrat, glaubte er, die sich aufbauende Spannung in der Luft erneut zu spüren. Er suchte Roma –
Ich möchte dir ein oder zwei Fragen stellen, alter Freund –
, sah ihn aber nirgendwo. Als er in den zweiten Stock kam, entdeckte er Lew und Evelyn, die vor den Konferenzräumen standen und sich unterhielten. Er steuerte auf sie zu.
Evelyn rieb sich nervös ihre winzigen, patschigen Little-Lotta-Händchen. Sie machte einen besorgten Eindruck.
»Stimmt etwas nicht?«
»Wir haben Olive noch immer nicht gefunden?«,
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