Handyman Jack 04 - Tollwütig
bisher als gegeben betrachteten. Jetzt wissen wir es besser.«
»Das meinen aber auch nur Sie.«
Er lächelte schwach. »Ich weiß genau, was in Ihnen vorgeht. Sie sind völlig verwirrt, Sie haben Angst und sind misstrauisch, aber Sie sind gleichzeitig aufgeregt und voller Tatendrang. Und der Widerstreit zwischen all diesen Empfindungen lässt Sie fast in Tränen ausbrechen. Habe ich Recht?«
Nadia spürte, wie ihre Augen feucht wurden, während ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg. Sie wischte die ersten Tränen weg und nickte, unfähig zu reden.
»Aber es stimmt, Nadia«, sagte er, und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Vertrauen Sie mir. Wir werden nicht hinters Licht geführt. Es gibt hier etwas, das unsere fundamentalsten Auffassungen hinsichtlich der Natur der physikalischen Welt, der Realität in Frage stellt.«
Und genau das war so beunruhigend, das war es, was sie fast verrückt machte. Wenn nun diese Fähigkeit, die Realität sowie die Erinnerung an die Realität zu verändern, nicht auf dieses eine Molekül beschränkt war? Wenn so etwas jeden Tag geschah? Wie oft hatte sie schon mal ein Wort getippt oder mit der Hand geschrieben und dann innegehalten und es betrachtet, weil die Schreibweise ihr irgendwie falsch vorkam? Sie hatte dann in einem Wörterbuch nachgeschaut und meistens festgestellt, dass ihre Schreibweise richtig war, und sie hatte weiter geschrieben, obgleich es ihr noch immer irgendwie falsch vorkam.
»Wir müssen in Erfahrung bringen, wie es funktioniert, wie es wirkt«, sagte Dr. Monnet. »Und der erste Schritt, diese Antwort zu finden, ist, das Molekül zu stabilisieren.«
»Wie soll man das schaffen, wenn man sich nicht einmal daran erinnern kann, wie es ursprünglich aussah?«
Er zog ein Fläschchen aus der Tasche und reichte es ihr. »Wir haben eine neue Lieferung erhalten.«
Nadia starrte für einen kurzen Augenblick das Glasröhrchen an, dann riss sie es ihm aus der Hand und begann einen Teil des blassblauen Pulvers für den Imager zu präparieren. Danach setzte sie die Testanordnung in die Maschine ein und wartete.
Schließlich erschien das Molekül, und sie hätte am liebsten gejubelt, als sie es erkannte. Das war es, was aus ihrem Gehirn gelöscht worden war. Jetzt war die Erinnerung zurückgekehrt, und so beunruhigend die Form auch aussehen mochte, sie hatte ihre alte Sicherheit wiedergefunden.
»Wie… wo haben Sie das unveränderte Loki her?«
»Ich habe es von seiner Quelle. Innerhalb seines Ursprungs verändert es sich nicht, erst nachdem es von dort entnommen wurde.«
Sie drehte sich zu Dr. Monnet um. »Und Sie halten die Quelle noch immer geheim?«
»Einstweilen ja.«
Nadia wollte ihn anschreien, es ihr endlich zu verraten. Es musste etwas Organisches sein – eine Pflanze? Ein Tier? Was?
»Und dieses rätselhafte astronomische Ereignis? Ist auch das ein Geheimnis?«
»Das habe ich nur für mich behalten, bis Sie selbst die Veränderungen erkennen konnten, die durch dieses Ereignis ausgelöst werden. Das Ereignis selbst ist völlig normal und findet pro Jahr zwölf-, manchmal auch dreizehnmal statt: Es ist der Neumond.«
Nadia befeuchtete ihre Lippen. »Der Neumond? Wann war das?«
»Gestern um genau zwanzig Uhr zweiundvierzig.«
Der Mondzyklus, einer der Urrhythmen des Planeten. Und der Neumond… eine Zeit, in der das himmlische Nachtlicht erlosch und nicht zu sehen ist, was unten in der dunkelsten Nacht des Zyklus vor sich geht.
Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken.
»Ich möchte, dass Sie sofort anfangen«, sagte Dr. Monnet. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Durchaus möglich, dass die Loki-Quelle nach dem hier… nicht mehr zur Verfügung steht. Dann wäre die Chance nämlich für immer verloren, seine Geheimnisse zu entschlüsseln.«
»Finden Sie nicht, wir sollten uns noch weitere Hilfe suchen? Ich meine, wenn wir nur neunundzwanzig Tage zur Verfügung haben…«
Dr. Monnet schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Auf keinen Fall. Loki wird die Labors von GEM nicht verlassen. Ich dachte, das hätte ich unmissverständlich klar gemacht.«
»Das schon, aber – «
»Kein Aber.« Sein Gesicht wurde bleich, Nadia hatte aber keine Ahnung, ob vor Zorn oder vor Angst. »Es wird keinerlei Hilfe oder Unterstützung von außerhalb hinzugezogen.«
Nadia wollte ihn anflehen, dass er die ganze Verantwortung nicht einer Anfängerin wie ihr aufhalsen könnte und sollte.
»Ich hoffe, Sie werden mir irgendwie helfen«, sagte
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