Handyman Jack 05 - Todesfrequenz
wie sie gerade bemerkt hatte: Menschen können einen ziemlich gründlich überraschen.
Er hatte seine Schwester niemals als sexuelles Wesen betrachtet. Sie war immer nur… Kate gewesen. Aber so verliebt, dass sie sich mit einem verheirateten Mann einließ… nun, da war die Katastrophe schon vorprogrammiert. Er hoffte, dass sie wusste, was sie tat.
»Vieles von dem, was wir tun, läuft am Ende auf Sex hinaus, nicht wahr?«, sagte er. »Manchmal ist das zu extrem, finde ich.«
»Wie das?«
»Ich meine, es ist ein Teil des Lebens, ein sehr schöner Teil, aber es ist nicht alles im Leben. Da sind auch noch Arbeit, Spiel, Essen, Seele, Geist – eine ganze Menge Dinge. Aber ich kann dir sagen, ich treffe immer wieder Leute, die sich allein durch ihre sexuellen Präferenzen definieren.«
»Sind es wirklich so viele?«
»Sagen wir einfach, ich treffe nicht allzu viele Angehörige der Mittelklasse und niemanden aus der oberen Klasse. Daher kann ich sagen, dass viele von den Menschen, die ich kenne, nicht das haben, was man als einen ›normalen‹ Lebensstil bezeichnen könnte.«
»›Normal‹ heißt innerhalb der beiden üblichen Abweichungen vom Haupttrend?«
»Klar, warum nicht? Alles verteilt sich nach der Glockenkurve, richtig? Ich meine die Leute an den äußersten Rändern der Kurve.«
»Zum Beispiel mich.«
Er überlegte einen Augenblick lang, dann erinnerte er sich an Ray Bellson.
»Ich habe mal einem Typen geholfen, der auf Fesselungen stand. Er trug immer schwarzes Leder, hatte einen Gürtel aus Handschellen, an den Wänden hingen Gemälde von gefesselten Händen und Füßen. Die Möbel waren aus verchromtem Stahl… und in diesem Stil ging es endlos lange weiter. Man saß mit ihm zusammen und unterhielt sich mit ihm, und er hatte ständig ein Stück Schnur bei sich, das er verknotete und wieder aufmachte. Es beherrschte sein ganzes Leben.«
Sie trank von ihrem Gin Tonic und meinte dann: »Was meinst du denn, wo sich meine Position auf dieser Kurve befindet?«
Eine recht seltsame Frage, die seine große Schwester ihrem kleinen Bruder stellte.
»Darüber habe ich nie nachgedacht, aber ich nehme an, mehr oder weniger genau in der Mitte. Ich meine, du zwängst dich nicht in hautenges Vinyl und schwingst eine Peitsche.«
Sie lachte – ihr erstes echtes Lachen an diesem Abend. »Ich sehe das auch nicht. Aber ich überlege gerade, was jemanden als ›normal‹ auf deiner Glockenkurve qualifiziert.«
Jack zuckte die Achseln. Er fühlte sich nicht sehr wohl dabei, Leute in bestimmte Schubladen zu packen. »Wie sind wir überhaupt auf dieses Thema gekommen?«
»Du hast davon angefangen.«
»Genau genommen brachte Dad die Rede darauf.«
»Wie hast du reagiert, als er dich fragte, ob du schwul wärest?«
Jack bemerkte, wie konzentriert sie ihm in die Augen sah, als wäre seine Antwort für sie von unendlicher Wichtigkeit.
»Ich erinnere mich, irgendwie froh gewesen zu sein, dass er nicht darüber nachdachte, ob ich ein Vergewaltiger oder ein Pädophiler war.«
»Aber du hast dich doch nie von einem Mann angezogen gefühlt.«
»Niemals. Männer reizen mich genauso wie Schafe, Ziegen und Hühner. Das heißt, absolut gar nicht. In diesem Punkt gibt es bei mir keine chemischen Reaktionen. Ehrlich gesagt, allein die Vorstellung, mit einem Kerl Zärtlichkeiten auszutauschen… igitt!«
»Aber du bist kein Schwulenhasser.«
»Ich finde, dass jeder das Recht auf sein eigenes Leben hat. Möglich, dass man nichts anderes besitzt als das Leben. Wenn du mir also nicht vorschreibst, wie ich mein Leben leben soll, werde ich dir nicht vorschreiben, wie du deins leben sollst.«
»Hast du auch keine Probleme mit Lesbierinnen?«
»Lesbierinnen sind cool.« Er versuchte, das
cool
genauso stotternd hervorzubringen wie Beavis. Oder war Butthead der Stotterer? Er verwechselte sie ständig.
»Tatsächlich.« Sie lächelte amüsiert.
»Klar, betrachte es doch mal so. Ich habe mit Lesbierinnen eine ganze Menge gemeinsam: Wir finden Frauen attraktiv, und keiner von uns hat Interesse an Sex mit einem Mann. Wenn ich es mir genau überlege, muss ich feststellen, dass ich eindeutig lesbische Tendenzen habe.«
»Kennst du viele?«
»Einige. Es gibt da ein lesbisches Paar, das zu den Stammgästen der Bar gehört, in der ich öfter rumhänge. Das Publikum besteht vorwiegend aus Arbeitern, und ein Pärchen dieser Typen war anfangs nicht besonders willkommen. Aber diese Girls ließen sich dadurch nicht abhalten, sie kamen
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