Handyman Jack 07 - Todessumpf
die Frage, wer Sie wirklich sind, keinen Deut näher gekommen.«
»Nun ja, also …«
Jack wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Das Gespräch geriet mehr und mehr auf gefährliches Territorium.
»Aber er liebt Sie trotzdem und macht sich wegen Ihnen Sorgen.« Ihre Blicke schienen ihn zu durchbohren und in sein Innerstes vorzudringen. »Traurig, nicht wahr? Der Vater kennt seinen Sohn nicht, und der Sohn weiß nichts über seinen Vater.«
»Oh, ich kenne meinen Vater.«
»Das mag Ihnen so vorkommen, mein Freund«, meinte sie und schüttelte dabei bedächtig den Kopf, »aber Sie tun es nicht.«
Jack wollte sie korrigieren – diese Frau, die seinen Vater vor kaum einem Jahr kennen gelernt hatte, konnte unmöglich mehr über den Mann wissen, in dessen Nähe er aufgewachsen war. Aber sie hob eine Hand, um ihm das Wort abzuschneiden.
»Glauben Sie mir, mein Junge, in Ihrem Vater steckt mehr, als Sie sich jemals haben träumen lassen. Während Sie hier sind, sollten Sie vielleicht versuchen, ihn besser kennen zu lernen. Diese Gelegenheit dürfen Sie sich nicht entgehen lassen.«
Jack warf einen Blick auf die reglose Gestalt zwischen den Krankenhauslaken. »Das habe ich vielleicht schon längst getan, und es ist zu spät.«
Sie winkte nachlässig mit einer Hand ab. »Thomas wird sich erholen. Er ist viel zu zäh, als dass ihn ein kleiner Bums auf den Kopf endgültig auf die Bretter schicken könnte.«
Das muss wohl ein wenig mehr als ein kleiner Bums auf den Kopf gewesen sein, dachte Jack.
»Die Ärzte scheinen das ein wenig anders zu sehen.«
»Ärzte.« Eine weitere wegwerfende Handbewegung. »Was wissen die schon? Die meisten sind blind wie Maulwürfe und beschäftigen sich ausschließlich mit ihrem eigenen Bauchnabel. Hören Sie auf Anya. Anya weiß Bescheid. Und Anya sagt: Ihr Vater wird sich erholen.«
So traurig der Anlass war, so sehr amüsierte Jack sich jedoch insgeheim über ihren Akzent. So wie Sie es sagen, Lady, und wie es aus Ihrem Mund klingt, ist alles nur eine Frage der Zeit. Hoffen wir es.
Sie sah ihn fragend an. »Wo übernachten Sie heute?«
»Keine Ahnung. Auf dem Weg hierher bin ich an einem Motel sechs vorbeigekommen …«
»Unsinn. Sie wohnen im Haus Ihres Vaters.«
»Ich … ich glaube nicht.«
»Widersprechen Sie Anya nicht. Er würde es sich so sehr wünschen. Er wäre sehr verärgert, wenn Sie es nicht täten.«
»Ich besitze keinen Schlüssel. Ich weiß noch nicht einmal, wie ich dorthin komme.«
»Ich zeige Ihnen den Weg.«
Sie ging zum Bett und fasste nach der Hand seines Vaters. »Jack und ich verabschieden uns jetzt, Thomas. Ruh dich aus. Morgen kommen wir wieder her.« Dann wandte sie sich zu Jack um und winkte ihm. »Gehen wir. Wo steht Ihr Wagen?«
»Auf dem Parkplatz. Und Ihrer?«
»Oh, ich fahre nicht Auto. Glauben Sie mir, Schätzchen, Sie und ich auf der gleichen Straße, das würde niemals gut gehen. Nein, Sie dürfen mich und Oyv nach Hause bringen.«
12
Sobald Anya in den Wagen gestiegen war, setzte sie sich Oyv auf den Schoß und zündete sich eine filterlose Pall Mall an.
»Was dagegen, wenn ich rauche?«
Ein wenig spät, um jetzt noch abzulehnen, dachte Jack.
»Nein. Rauchen Sie nur.« Er drehte alle Fenster nach unten.
»Wollen Sie auch eine?«
»Danke, nein. Ich habe es ein paar Mal probiert, aber angewöhnt habe ich es mir nie.«
»Schade«, sagte Anya und blies einen Rauchstrom durch das Fenster hinaus. »Und falls Sie vorhaben, mir zu raten, ich solle aufhören, können Sie sich den Atem sparen.«
»Ich denke ja gar nicht daran. Es ist Ihr Leben, das Sie gefährden.«
»Verdammt richtig. In all den Jahren haben fünf Ärzte mir geraten, aufzuhören. Ich habe alle fünf überlebt.«
»Wenn das so ist, werde ich erst recht nichts sagen.«
Sie lächelte und dirigierte Jack auf eine Straße, die in die westlichen Stadtbezirke führte.
Die Strahlen der untergehenden Sonne schnitten durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille und stachen in seine Augen, während er den Wagen westwärts lenkte. Das, was in dieser Region unter den Begriff Zivilisation fiel, blieb hinter ihnen zurück. Die Landschaft wurde zwar deutlich sumpfiger, bewahrte aber ihren ausgebrannten Charakter.
Sie kamen an einem frisch gepflügten Feld mit fruchtbarer brauner Erde vorbei, und Jack fragte sich, was wohl dort im Sommer angebaut worden sein mochte. Die Landwirtschaft schien hier hauptsächlich aus Baumschulen für Palmen zu bestehen. Es war schon
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